Don Winslow – Savages: Zeit des Zorns

Don Winslow. Mit Schlussszenen hat er es. Da drückt er mit Freude die emotionale Tube, lässt Sentimentalitäten für sich arbeiten. Und es funktioniert. Ich bin wieder dezent hin und weg.

Aber von Anfang an. »Savages – Zeit des Zorns« aus dem Jahr 2010 ist der dreizehnte Roman des us-amerikanischen Autors Don Winslow, dessen Gesamtwerk sich aktuell auf 20 Titel beläuft. Seine jüngste Veröffentlichung erscheint dieser Tage unter dem Titel »Corruption« in deutscher Übersetzung.

Winslow hat ein großes Thema, das immer wiederkehrt, der Drogenkrieg und seine Dynamik, sein Innenleben, seine Auswüchse und seine Auswirkungen. Diese hässliche Welt packt er in schnelle Thriller, die betont leichtfertig erzählt werden, und damit eine ganz eigene Form der Auseinandersetzung und Kritik suchen.

 

Alles hat seinen Preis

In »Savages – Zeit des Zorns« entwickelt sich kalifornisches Easy-Going zu einem Krieg um Geld und Einluss und ums Menschsein. Die Motive der Figuren in diesem Kampf sind ganz unterschiedlich, immer aber geht es darum, welche Mittel man bereit ist, einzusetzen, um zu bekommen, was man will. Ob Macht, Reichtum, Respekt oder Frieden, nichts ist umsonst und der Preis dafür steigt und fällt mit der persönlichen Einstellung.

Ben zum Beispiel, Sohn eines Psychiaterehepaars und mit dem sozialen Gewissen von Bono, Ghandi und sämtlicher Hollywoodschauspieler ausgestattet, hat sein millionenschweres Vermögen zwar mit einem Marihuana-Imperium erwirtschaftet, gräbt nun aber Brunnen im Sudan, bekämpft Malaria in Sambia und finanziert Hilfsprojekte in Myanmar. Er verweigert jegliche Form von Kampfhandlungen. Sein bester Freund und Geschäftspartner Chon – eigentlich Johnny, aber er wurde nach seinem Vater benannt und das, ach ihr wisst schon, ein Vater-Sohn-Ding – ist ausgebildeter Navy-Seal, Kriegsveteran und hat keine besonders hohe Meinung von der Spezies Mensch. Er ist ruhig und besonnen, entschlusskräftig und rational.

 

Ben und Chon und O

Ben und Chon also, der Zarte und der Harte. Dazu O, Ophelia, ein elfenhaftes Ding, verloren in der Welt von Orange County. Zu viel Geld, zu wenig Liebe, keine Idee, was sie mit sich anfangen soll, aber ein großes Herz und eine starke Persönlichkeit. Das Herz so groß, dass Ben und Chon darin Platz haben. Und Ben und Chon, dieses untrennbare Yin und Yang, teilen sich in stiller Harmonie dieses Mädchen. Keine Dreiecksbeziehung, sondern die Trinität schlechthin.

Bis das mexikanische Baja-Kartell auf den Plan tritt und das ruhige Leben stört. Intern gespalten, muss die neue Anführerin Elena La Reina Stärke beweisen und den südkalifornischen Markt übernehmen. Ihr Vollstrecker vor Ort ist Lado, ein kompromissloser, übler Typ.

Die größten Player auf dem Markt nördlich der Grenze sind Ben und Chon und das Kartell will sie schlucken. Nun hätten Ben und Chon gar kein großes Problem damit, ihr Geschäft abzugeben, doch das Kartell stellt eigene Bedingungen an die Übernahme, will nicht nur ihr Produkt, auch ihr Know-How und verleiht seinen Forderungen Nachdruck, indem es Ophelia entführt. Für Ben und Chon wird es damit persönlich.

 

Heißer Scheiß

Don Winslows Art, diese Story zu erzählen, sein Schreibstil, das ist schon irgendwie heißer Scheiß. Er schert sich nicht um Konventionen, ballert seine Sätze herrlich respektlos gegenüber Ausdrucksformen heraus. Manche so lapidar, dass sie an der Grenzen zum Lächerlichen sind, andere so pointiert, dass man sich als Leser nur verdutzt umgucken kann.

Ich mag das, mir macht das Spaß, es unterhält, hält einen auf Trab und treibt die Story ohne unnötige Zwischenstopps immer weiter und weiter. Wenn ich geschliffene, tiefsinnige Formulierungen will, ziehe ich andere Autoren aus dem Regal, wenn es aber sprachlich knallen soll, dann eben einen (vorzugsweise älteren) Titel von Don Winslow.

 

Sonne, Villen, Wellen

Der Film »Savages« folgte 2012, Oliver Stone (»Wall Street«, »Natural Born Killers«) führte hier Regie, Don Winslow schrieb mit am Drehbuch. Dialoglastig und szenisch wie der Roman ist, eine Steilvorlage. Und im Ergebnis ist »Savages« ein durchgestylter und aufwendig produzierter Drogen-/Gangsterfilm, wie er im Buche steht. Er spielt mit expliziten Action- und Sexszenen, mit der Brutalität des Drogengeschäfts und dem Easy-Peasy-Lifestyle der Schönen und Reichen in Kalifornien.

Doch so richtig will der Film bei mir nicht funken, werde ich mit der Interpretation des Stoffes durch Oliver Stone nicht warm. Er übernimmt zwar vom Roman das Konstrukt aus Figuren und Plot und im Wesentlichen auch die Motive. Aber während Don Winslows Text eine sehr klare Linie fährt und ganz genau weiß, dass er eine harte und schnelle Geschichte rund um Drogen, Macht und Liebe erzählen will, schlingern Oliver Stones Bilder gerade zu Beginn sehr lange zwischen großen Strandpanoramen, California Dreaming und Luxuslifestyle hin und her. Sie tänzeln um die viel zu blass interpretierte Rolle der Ophelia, gespielt von Blake Lively (»Gossip Girl«, »Green Lantern«) herum, ganz viel Sonne, Villen und Wellen und Wind im Haar und Sonnenbrillen.

Dazwischen dann die Szenen, die die Brutalität des Drogengeschäftes zeigen (Ich habe mir die Schnittversion mit der Altersfreigabe ab 18 Jahren angesehen, es gibt auch eine um 9 Minuten kürzere Variante des Films mit der FSK 16.), sehr blutig und brutal, später einige deftige Explosionen, Exekutionen und Schusswechsel. Während das im Roman alles mit einem angenehmen Pfiff konstruiert wird, kommt es im Film durch die Art der Inszenierung schnell plump daher.

 

Alte Besen kehren gut

Aufgefangen wird das dann nur durch die schauspielerische Leistung eines Benicio Del Toro, der die Rolle des Lado spielt. Eben jener üble Typ, der für das Baja-Kartell und Elena die Drecksarbeit erledigt. Und die Rolle spielt Del Toro auch richtig dreckig. Das löst wirklich Unbehagen aus, das ist abstoßend, ein bisschen trashig, das ist richtig gut gemacht. Auch eine wahre Freude sind die Szenen, in denen John Travolta als DEA-Agent auftritt, ebenso Salma Hayeks als Chefin des Baja-Kartells, das hat viel Schönes und Humoreskes.

Die jüngere Figurenpalette um Ben, Chon und Ophelia ist in eben genannter Reihenfolge mit Aaron Johnson (»Kiss-Ass»), Taylor Kitsch (»True Detetctive, Season 2«) und der oben bereits erwähnten Blake Lively besetzt. Make-Up und Kostüme der drei Darsteller absolut klischeegetreu mit einem Touch Hippie, Hippster und High-Budget. Ja, das passt zum Film-Feeling, das war dann aber auch schon alles. Die Rollen von Ben und Ophelia bekommen keinerlei Profil, was besonders bei der weiblichen Hauptrolle im Vergleich zum Roman extrem enttäuschend ist. Deutlich mehr Charakter bringen da eben John Travolta, Benicio Del Toro und Salma Hayek mit ihrem Spiel in diesen Film, werten ihn ungemein auf. Sind aber letztlich auch schon die einzige Stärke des Films, neben ein paar netten Spielereien bei der Kameraarbeit und beim Schnitt.

Hier kann man noch einen Blick auf den Trailer werfen.

 

Fazit: Don Winslow legt mit »Savages – Zeit des Zorns« eine schnelle und treibende Geschichte rund um Drogen, Macht und Liebe vor. Sein Roman ist lässig, dramatisch, das sitzt einfach. Die Verfilmung von Oliver Stone dagegen wirkt etwas bemüht, hat aber für Fans von Gangster-Filmen im härteren Mainstream-Bereich sicher seinen Reiz.

Bewertung: 4.1 Punkte = 4 Sterne

Stil: 4/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 3/5
Plot-Entwicklung: 5/5 | Tempo: 5/5 | Tiefe: 4/5
Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 4/5 | = 4.1/5.0

 


© Suhrkamp Verlag
Don Winslow – Savages: Zeit des Zorns

Originalausgabe »Savages« (2010)

übersetzt aus dem amerik. Englisch von Conny Lösch

Januar 2014 bei Suhrkamp

Taschenbuch | 336 Seiten | 9,99 EUR

Genre: Thriller

Reihe: Einzelband

Schauplatz: Kalifornien

 

 

 

Die Besprechung erscheint im Rahmen des Blog-Spezials »VERFILMT« mit den Kollegen von Kaliber.17.

8 Kommentare zu “Don Winslow – Savages: Zeit des Zorns

  • Pingback: Das Blog-Spezial »VERFILMT« mit Kaliber.17

  • 23. Juni 2017 at 16:10
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    Vielen Dank für diesen tollen Beitrag. Vor allem “Heißer Scheiß” ist klasse formuliert und trifft es absolut auf den Punkt.

    Ich habe bereits Corruption von Winslow hier liegen und kann es kaum abwarten, ihn zu lesen.

    Viele liebe Grüße

    Anja

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    • 23. Juni 2017 at 16:49
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      Hallo Anja!

      Vielen Dank für dein Feedback!! “Corruption” liegt hier auch schon bereit, ich bin sehr sehr neugierig, da mich zuletzt die jüngeren Veröffentlichungen Winslows nicht mehr so richtig begeistern konnten und ich eher ein Fan seiner älteren Werke bin. Aber ich habe auch schon erste positive Stimmen zu “Corruption” gehört, insofern darf man gespannt sein! 😀 Viel Spaß mit der Lektüre!!

      Liebe Grüße!

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  • 23. Juni 2017 at 16:29
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    Das Buch fand ich klasse – den Film hab ich nach 20 Minuten aufgegeben. Bei mir lag das hauptsächlich an Blake Lively…. blass trifft es da haargenau, überhaupt nicht, wie ich O beim Lesen gesehen habe.

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    • 23. Juni 2017 at 16:57
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      Gut zu hören, dass es dir damit auch so ging! Im Vergleich zur Romanfigur O ist die Darstellung im Film wirklich herb enttäuschend, und auch furchtbar ärgerlich, mal wieder eine Frauenfigur zu reinen Dekozwecken. Gut aber den Unterschied zu sehen und zu wissen, dass Don Winslow es in seinem Roman besser kann. Letztlich war aber die Rolle von O eine ganz zentrale, und ihr im Film wie nebenbei komplett den Charakter wegzustreichen, das machte den Streifen wirklich unsympathisch.

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  • 8. Juli 2017 at 12:19
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    Hier eine Version, wo ich wohl eher den Film guckn würde (glaub kenn den sogar) weil del Toro :3 und das Buch links liegen lassen würde, da es mich inhaltlich nicht reizt. Auch ein witziger Zwiespalt 😛

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    • 8. Juli 2017 at 22:47
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      Für mich war das jetzt schon die zweite Winslow-Verfilmung, die enttäuschend oberflächlich umgesetzt war. Entweder Don Winslow schreibt zu gut … oder Don Winslow schreibt zu gut. Schrieb zu gut. Wie auch immer, der Film ist jetzt mit einigen Wochen Abstand wirklich Banane, mal abgesehen von Benicio del Toros und John Travoltas Spiel. Würde ich mir kein zweites Mal ansehen. Der Roman dagegen funktioniert wie am Schnürchen.

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