Ken Bruen – Füchsin

ken bruen fuechsin

♫ »Angie, Angie, where will it lead us from here?
With no loving in our souls and no money in our coats
You can’t say we’re satisfied« ♫ *


Mädel, dein Ton!

Ich nenne sie ja liebevoll »Wichser- und Arschlochkrimis«. Kriminalromane, in denen verbal so ein rauer Wind weht, dass es dem ein oder anderen Kulturredakteur höchstwahrscheinlich das Toupet vom Kopf wehen würde. Die Figuren sind moralisch fragwürdig und politisch unkorrekt. Schlagringe statt Samthandschuhe ist hier das Credo.

Und das macht schon Laune. Nicht die Vorstellung eines davonfliegenden Haarersatzteiles, die auch, aber ich meine jetzt den Roman. »Füchsin« von Ken Bruen ist schnell, zynisch, direkt, fies und hat eine schwarzhumorige Attitüde, die mir ein formidables Lesevergnügen bereitet hat.

Das liegt weniger daran, dass ich mich an unflätigen Ausdrücken erfreue (höchstens ein kleines bisschen), sondern an der Art, wie sie Ken Bruen als Stilmittel einsetzt. Denn Herr Dr. Ken Bruen, promoviert in Metaphysik, weiß schon wo er hin will mit seiner Geschichte, die abrechnet mit allem, was dem pathetischen Polizeiroman heilig ist.

 

Das Revier

Denn das Revier im Londoner Südosten, das hier für die Ermittlungsarbeit zuständig ist, ist ein ziemlicher Sauhaufen. Auch das meine ich sehr liebevoll. Bevor ich auf die einzelnen Charaktere eingehe, denn der Roman lebt nicht minder von seiner Figurenzeichnung, sei noch erwähnt, dass »Füchsin« der fünfte Band einer Reihe ist, die aktuell sieben Romane umfasst, von denen aber bislang nur zwei in deutscher Übersetzung vorliegen. Auf »Füchsin» folgt »Kaliber«, beide im Polar Verlag in der Übersetzung von Karen Witthuhn erschienen.

Ein wenig schade ist es schon, in die Reihe erst beim fünften Band einzusteigen zu können, so man denn nicht die englischen Ausgaben lesen kann/möchte. Denn auch wenn der Plot in »Füchsin« gänzlich eigenständig funktioniert, merkt man bei der Gruppendynamik der Polizeieinheit doch deutlich, dass hier einiges an Ereignissen vorausgegangen ist. Das trübt das Lesevergnügen nicht großartig, ein wenig nagt es aber schon. Aber es wird wohl seine Gründe haben.

 

Die haben es auch nicht leicht

Zurück zum Inhalt. Kern dieser Reihe sind Detective Sergeant Brant und sein Vorgesetzer Chief Inspector Roberts, ein dynamisches Duo. Brant ist ein Arschloch, das sich mit – mehr oder weniger, gut, eigentlich mit mehr – fragwürdigen Mitteln durchaus auch für die richtigen, gerne aber für sich selbst, einsetzt. Dabei ist er schon der coole Stinker, der mit großer Klappe und trainiertem Faustschlag Sachen klärt. Chief Roberts dagegen muss sich etwas mehr zusammenreißen. Allein seine Position zwingt ihn zur Contenance und er ist auch ehrlich bemüht, seine Truppe in der Spur zu halten, aber die machen halt auch alle, was sie wollen und eigentlich findet der Chief das ganz gut und seine Leute wissen das.

Superindendent Brown dagegen, der Chef von allen, ist ein rückgratloser Sesselheini, der gerne seine Untergebenen anbrüllt, weiter aber keinen Einfluss auf sie hat, was ihm wohl ebenfalls bewusst ist. Deshalb brüllt er auch so viel und so unsinnig. Und dann sind da noch der kürzlich beförderte Detective Inspector Porter Nash, der hat es auch nicht leicht, und Police Constable Falls, die hat es auch schwer. Haben es ja letztlich alle irgendwie. Aber Falls im Verlauf dieser Geschichte ganz besonders.

 

Der saudämliche Plan

Auf der anderen Seite treten auf dem Spielfeld an: Angie, Ray und Jimmy. Angie ist, um aus dem Buch zu zitieren, »ernsthaft gestört« und irgendwie ist der Begriff der Femme fatale hier so angemessen wie eine Stripperin auf einer Einschulung. Von verruchtem Charme und feiner Intelligenz kann bei ihr kaum die Rede sein, aber abgebrüht, kalt und berechnend ist sie. Bei den beiden Brüdern Ray und Jimmy herrscht im Prinzip das Dick-und-Doof-Motiv, wobei Ray zwar nicht dick, Jimmy aber eben nicht das hellste Licht am Baum ist. Zu dritt planen sie, die Londoner Polizei mit einer Reihe von Bombenexplosionen zu erpressen, um an das ganz große Geld zu kommen. Ha. Hahahaha.

 

Räuber und Gendarmen

Und damit geht sie dann auch los, die verrückte Jagd. Räuber und Gendarmen par excellence. Und von Ken Bruen so erzählt, dass der Krimiplot wirklich auf geniale Weise auf das notwendigste reduziert ist und trotzdem maximale Wirkung erzielt.

Jetzt kann man sich abschließend berechtigterweise fragen, wer sind die Guten und wer die Bösen in diesem Spiel. Und was ist eigentlich »gut« und was »böse«. Klar haben wir da gesellschaftliche Konventionen, aber die greifen nicht in allen Bereichen und wenn man mal ganz existenziell in diese Frage einsteigt, wird einem Metaphysiker Dr. Ken Bruen mit seiner stilisierten Antwort in Form dieses Kriminalromans sicher gern weiterhelfen.

 

Bewertung-4-Sterne

Fazit: »Füchsin« ist ein derb-vergnügliches Krimistück.

Bewertung: 4,4 Punkte = 4 Sterne

Stil: 4/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 5/5 | Figuren: 5/5
Plot-Entwicklung: 5/5 | Tempo: 5/5 | Tiefe: 4/5
Komplexität: 3/5 | Lesespaß: 5/5 | Ø 4,4 Punkte

 

 

 

 


Buchcover Füchsin von Ken Bruen
© Polar Verlag
Ken Bruen – Füchsin

Originalausgabe »Vixen« (2003)

aus dem Englischen übersetzt von Karen Witthuhn

April 2016 im Polar Verlag

Klappenbroschur | 184 Seiten | 14,90 EUR

Genre: Kriminalroman / Hardboiled

Reihe: Brant und Roberts #5

Schauplatz: London

 

 

 

Weitere Besprechungen zum Buch gibt es unter anderem bei:

Crimenoir – »Polizisten sind auch nur Schurken, bloß in Uniform.«

Der Schneemann – »Verfolgt von seinem Stakkato-Satzgeballer sprintet man durch die Kapitel …«

 

 

*Textzeile aus dem Song »Angie« von den Rolling Stones, 1973.

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