♫ »Einmal wissen, dieses bleibt für immer.
Ist nicht Rausch, der schon die Nacht verklagt.« ♫
Eine unumgängliche Konsequenz
Ich weiß nicht, ob Horst Eckert bereits wusste, dass er einmal einen Polit-Krimi zum Thema NSU schreiben würde, als er die Figur des Kommissars Vincent Che Veih erdachte. So oder so hat dieser Mordermittler seine Daseinsberechtigung. In jedem Fall aber erscheint es einem als eine ebenso unumgängliche wie logische Konsequenz, dass nun eben dieser Kommissar, mit einem regimetreuen Nationalsozialisten als Großvater und einer RAF-Terroristin als Mutter, in einen Fall verwickelt wird, der ihn mit den Nachwehen der Anschläge der rechten Terrorzelle NSU konfrontiert.
»Wolfsspinne« ist der dritte Roman mit Kommissar Veih und vollführt eine schmale Gratwanderung zwischen Fakten und Fiktion. Der Thriller ist sehr nah dran an der Chronologie der realen Ereignisse und erdichtet mögliche Hintergründe und Zusammenhänge, die alarmierend wahrscheinlich erscheinen. Dabei ist »Wolfsspinne« aber keine überambitionierte Verschwörungstheorie, sondern ein sehr ausführlich recherchierter Roman, der genau die Lücken mit Fiktion schließt, die in diesem Fall Raum für Mutmaßungen, Spekulationen und Hypothesen bieten.
Fakten und Fiktion
Aber was ist eigentlich genau passiert? Wie nah dran Horst Eckert mit seiner Geschichte an der Realität ist, wurde mir erst bewusst, als ich während des Lesens zum Thema zu recherchieren begann. Natürlich sind mir der NSU und die damit verbundenen Namen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bekannt, aber Daten, Orte und Fakten hatte ich zu diesem Fall nicht mehr griffbereit. Und je mehr ich laß, umso mehr wurde mir schlecht. Das Gefühl, das mich beim Lesen von »Wolfsspinne« die ganze Zeit begleitete, war Beklemmung. Allein dafür gehört der Roman gelobt.
Wer verfolgt welche Ziele?
Inhaltlich baut »Wolfsspinne« im Rahmen der realen Ereignisse seine eigene Geschichte auf, auch wenn einzelne Figuren und deren reale Vorbilder einwandfrei zu identifizieren sind. Da ist zum Beispiel der Handlungsstrang, der mit einem Sparkassenüberfall in Eisenach 2011 beginnt. Die zwei Räuber flüchten erst auf Fahrrädern, dann mit einem Wohnmobil, das wenig später ausgebrannt und mit den Leichen der beiden Männer gefunden wird. Hier deckt sich die Romanhandlung mit den tatsächlichen Geschehnissen, dann beginnt die Fiktion. Ein dritter Mann ist in die Sache involviert. Ronny Vogt, ein verdeckter Ermittler, der vom Verfassungschutz in die rechte Szene eingeschleust wurde, um … Ja, um was eigentlich? Informationen zu liefern, Verbrechen zu verhindern?
Mit dem verdeckten Ermittler Ronny Vogt hat »Wolfsspinne« einen extrem interessanten Protagonisten, an dem Horst Eckert viele Aspekte dieses Verfassungschutzdilemmas abarbeiten konnte. Sei es der Übergang von Behörden nach der Wende oder der Umstand, dass ehemalige Stasi-Mitarbeiter zum Verfassungschutz wechselten, dann die Frage nach der persönlichen Stabilität von V-Männern. Wie zumutbar ist so ein Job, wie lange kann man welche Belastungen ertragen? Wie ist es um den Identitätsverlust bestellt und um die Sicherheit? Und welche Aufgaben, welche Ziele werden da eigentlich von wem verfolgt?
Politthriller und Polizeiroman
In einem zweiten Handlungsstrang ist der Leser dann bei Kommissar Vincent Che Veih, der den Mord an der Besitzerin eines Szenerestaurants aufklären soll. Erste Befragungen der Mitarbeiter bringen Drogen ins Spiel, außerdem gab es finanzielle Probleme. Interessant auch die Verbindungen der toten Restaurantbesitzerin zu einigen sehr einflussreichen Leuten in Politik und Wirtschaft. Um das Thema abzurunden, bekommt Kommissar Veih auch noch dienstintern Probleme, nachdem er auf einer Gegendemonstration zur PEGIDA-Bewegung in eine Rangelei verwickelt wurde. Die genauen Hintergründe interessieren die Vorgesetzten nicht, schnell und ohne viel Aufhebens möchte man Veih absägen und ihn von dem Fall abziehen. Der ist aber ein sturer Knochen.
»Wolfsspinne« ist dabei gleichermaßen Politthriller und Polizeiroman, Kommissar Veih ein Polizist aus Überzeugung, mit einem stark ausgeprägten Drang zur Wahrheitsfindung. Das eint ihn mit seinem Autor, dessen Anliegen in diesem Roman in jeder Zeile mitschwingt. Die Suche nach Antworten, die vielen Ungereimtheiten, die vielen Toten. Das, so ahnt man, muss den Autor eine lange Zeit umgetrieben haben, dieser Roman ihm fast eine Art persönliches Anliegen sein. »Wolfsspinne« ist, wie es im Klappentext heißt: »Ein Roman, der die offizielle Version zum Thema NSU in Frage stellt.«
Fazit: Für mich ein sehr beklemmendes Leseerlebnis, weil der Roman reale Ereignisse und fiktive Hintergründe so dicht und schlüssig miteinander verbindet. Was als großes Kompliment gemeint ist. Man spürt die intensive Recherche, die »Wolfsspinne« vorausgegangen sein muss und wie das Thema den Autor umgetrieben hat. Eine einprägsame Lektüre.
Bewertung: 4,1 Punkte = 4 Sterne
Stil: 4/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 4/5
Plot-Entwicklung: 4/5 | Tempo: 4/5 | Tiefe: 5/5
Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 4/5 | Ø 4,11 Punkte

Horst Eckert – Wolfsspinne
Originalausgabe | August 2016 im Wunderlich Verlag
Hardcover | 496 Seiten | 19,95 EUR
Genre: Thriller
Reihe: Vincent Che Veih #3
Schauplatz: Düsseldorf
Weitere Besprechungen zum Buch gibt es unter anderem bei:
Die dunklen Felle – »Politisch brisant, mitreißend geschrieben und mit ausgefeilten Charakteren …«
Ich bin nicht so der Politkrimi Fan, aber um den schleiche ich auch schon eine Weile drumrum
Sehr lohnenswerte Lektüre! Auch die anderen Bände der Reihe, “Schwarzlicht” und “Schattenboxer”. Wenn einer beweist, dass Politthriller nicht dröge sind, dann Horst Eckert! 😉 Und “Wolfsspinne” ist auch einfach eine spannende Geschichte, weil sie uns so unmittelbar betrifft, deshalb probiere es mit diesem ruhig mal aus, ich bin mir sicher, dass du es nicht bereuen wirst! 😀
Das Buch klingt ja sehr spannend! Wobei ich gestehen muss, dass mich das Cover nicht dazu verleitet hätte, den Klappentext zu lesen…
Viele Grüße
Jasmin
Hallo Jasmin, entschuldige die späte Antwort, dein Kommentar ist mir irgendwie durchgerutscht! Das mit den Buchcovern ist ja immer so eine Sache, tatsächlich finde ich dieses hier auch nicht sonderlich ansprechend, aber zum Glück schlägt der Inhalt das um Längen. 😉
Viele Grüße, Philly
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