»Kill or be killed« startet mit einer Eröffnungssequenz, in der sich ein vermummter Mann quer durch ein Hochhaus ballert, während er nebenbei aus dem Off über die Übel der Welt schimpft. Böse Konzerne, Terroristen, Rassismus in den Polizeibehörden, psychopathische Regierungschefs, kurzum die Welt ist schlecht, alles hoffnungslos und keiner macht etwas. Außer er, Dylan, er tötet böse Menschen. Heureka.
Jetzt ist aber nicht alles Edelmut was glänzt und so tötet Dylan erstmal vor allem aus einem Grund: Um nicht selbst zu sterben. Und da wird es spannend.
Was mit Dylan geschah
Lasst mich kurz die Vorgeschichte umreißen. Nach einem gescheiterten Selbsttötungsversuch hat es Dylan nämlich ordentlich den Kopf durchgeschüttelt. Noch während er dazumal seinen Fuß über eine Dachkante schob, um sich in die kalte New Yorker Winterluft zu stürzen, wurde ihm bewusst, dass er ja um Himmels Willen bloß nicht sterben will. Mehr Glück als Verstand überlebt Dylan den Fall nach unten, kehrt gebeutelt von Adrenalin und Endorphin zurück in seine triste Studentenbude, die er sich mit einem Freund teilt und beschließt sein Leben zu ändern, nach dieser existenziellen Erfahrung.
Das geht dann aber anders vonstatten als geplant. Noch in der gleichen Nacht sucht Dylan während des Schlafs ein Dämon heim, denn ein neues Leben gibt es schließlich nicht gratis. Dafür muss man schon etwas tun, und da Dämonen nicht für ihre Liebenswürdigkeit bekannt sind, verlangt er ein Leben für ein Leben, Dylan wird für ihn töten, sonst stirbt er. Und zwar jeden Monat. Besessen im Abo, sozusagen.
Die Stimme in meinem Kopf
Und das ist dann bei näherer Betrachtung und nach reiflicher Überlegung doch schon ziemlich großartig eingefädelt vom Autor Ed Brubaker. Denn ich weiß an dieser Stelle selbst nicht, ob die Story langfristig einen phantastischen Einschlag erhält oder die Schiene des harten Psycho-Thrillers fährt. Ist Dylan einfach irre oder befinden wir uns in einer Welt, in der Dämonen existieren? Im Moment tippe ich auf den Psycho-Thriller, eignet sich doch gerade der Charakter der Hauptfigur Dylan sehr hervorragend dazu, eine Geschichte von einem jungen Mann zu erzählen, der meint, eine Stimme befehle ihm zu töten.
Dass es dann nur die vermeintlich bösen Menschen treffen soll, ist da eine bequeme Rechtfertigung, mit der Autor Ed Brubaker seine Hauptfigur sicher nicht durchkommen lassen wird.
Ob das gut geht?
Es gibt aber auch durchaus Ansätze, die für den Phantastik-Weg sprechen. Noch bin ich insgesamt aber vorsichtig skeptisch, ob mich die Reihe langfristig bei der Stange halten wird. Die Charaktere sind aktuell relativ plattitüdenbehaftet, das Personal beschränkt sich zunächst auch auf ein Minimun. Von Statisten einmal abgesehen, fokussiert sich das Geschehen auf den labilen Dylan, seine beste und in Liebesdingen unentschlossene Freundin Kira und seinen Freund und Mitbewohner Mason, was natürlich eine kniffelige, aber auch zugegeben doch recht motivationslos erscheinende Dreiecksgeschichte forciert. Erste Andeutungen auf die Kindheit der Figuren, dadurch auftauchende Konflikte wurden aber auch schon eingebaut, sodass man zumindest von dieser Seite noch einiges erwarten kann.
Und auch wenn einem Dylan mit seiner Art nicht zwingend ans Herz wächst, ist er doch ein interessanter Akteur, den zu beobachten nicht uninteressant ist. Ob sich da eine Entwicklung zum eiskalten Psychopathen verfolgen lässt, bleibt abzuwarten, zumindest einer hochgradig gestörten Figur kann man hier sehr intensiv in seine Wahrnehmung folgen.
Eingespieltes Team: Brubaker und Phillips
Was ich an den Comics, die Ed Brubaker zusammen mit Sean Phillips macht, schätze, ist die Stimmigkeit der Zeichnungen zum Inhalt. Die Zeichnungen von Phillips sind immer auf den Punkt unangenehm, aber durchweg sehr atmosphärisch, schmeicheln selten den Gesichtern der Figuren, sind dabei aber immer sehr ehrlich, auch brutal. Aber vor allem eben einfach ungeschönt, was dem Stoff immer so ein bisschen das Make-Up abwischt, das sonst beim Lesen von Romanen zum Beispiel gerne von den kopfeigenen Maskenbildnern aufgetragen wird, um das Böse etwas abzudämpfen. Hier ist das alles völlig unverklärt.
Dazu die Kolorierung von Elizabeth Breitweiser, die hier in puncto Stimmung nochmal extrem gut dazu beiträgt mit all den erdigen, entsättigten Farbtönen sowohl das Triste und Bodenständige, gleichwohl aber auch das Brutale und Bedrohliche herauszukehren. Da ist ingesamt einfach wenig Licht, wenig Helligkeit, im farblichen wie im übertragenen Sinn. Auch die winterlichen Straßen New Yorks, die zwar nicht betont die Kälte, aber die Abwesenheit von jeglicher Wärme in diesem Szenario unterstreichen. Empfand ich insgesamt zum Inhalt und zur Idee der Story sehr stimmig.
Fazit:
Die Entwicklung eines jungen Mannes zum eiskalten Psychopathen, der Blick in die gestörte Wahrnehmung eines labilen Studenten, oder doch ein Schuss Phantastik? Im ersten Band seiner neuen Reihe »Kill or be killed« spielt Autor Ed Brubaker sehr schön mit den Möglichkeiten, die ihm seine Idee bietet. Unterstützt durch die harschen Zeichnungen von Sean Phillips und der trefflichen Farbgebung von Elizabeth Breitweiser liegt hier ein Thriller vor, der auf den ersten Blick die gängige Thematik um die Moral des Tötens bearbeitet, auf lange Sicht aber durchaus eine interessante Tiefe verspricht. Man darf gespannt sein, wohin sich das im zweiten Band entwickeln wird.
Ed Brubaker, Sean Phillips, Elizabeth Breitweiser – Kill or be killed #1
OT: »Kill or be killed, Volume 1« (2017)
Autor: Ed Brubaker | Zeichnungen: Sean Phillips | Koloration: Elizabeth Breitweiser
Übersetzung: Gerlinde Althoff
Splitter Verlag | Hardcover | 128 Seiten | 19,80 EUR
Reihe: Kill or be killed #01
Interessantes Buch aus einer ungewohnten Perspektive. Mir persönlich sind die Bilder allerdings ein wenig zu heftig.
Liebe Grüße
Joel von Büchervergleich.org
Ja, das kann ich verstehen, die Zeichnungen sind rau und direkt, und oftmals nicht besonders “ansehnlich”, passen aber zur Handlung wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Danke für deinen Kommentar, liebe Grüße!
Frisch geordert, kommt die Tage bei mir an und dann komm ich nochmal hie bei dir vorbei 😀 Hab bei der #CLCN Aktion gesehn und das Lob gehört, da kann man ja gar nicht anderes, als es zu holen 😛
Hab bisher noch gar kein großes Lob zum Comic gehört, aber ich kann mir schon vorstellen, dass das gut ankommt. Ich harre bis zum zweiten Band mal in der neutralen Mitte aus, einiges mochte ich ja durchaus auch, einiges war aber auch eher mäßig. Mal gucken, mal gucken.