Bernhard Aichner – Totenrausch

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Als ich im Herbst 2014 eine Lesung von Bernhard Aichner in Berlin besuchte – ein halbes Jahr zuvor war der erste Band der Totenfrau-Trilogie erschienen, die in dem hier vorliegenden Buch »Totenrausch« ihren Abschluss findet – erzählte der Autor, dass er eigentlich eine Liebesgeschichte schreiben wollte.

 

Die Liebe

Und das hat er auch. Trotz der vielen Morde, des vielen Blutes und der vielen Leichen, die es in den drei Büchern (Totenfrau, Totenhaus, Totenrausch) um die Bestatterin Brünhilde Blum zu beklagen gibt, ist es am Ende das, was bleibt. Eine Geschichte, deren größter und stärkster Motivator die Liebe einer Frau zu ihren Nächsten ist. Ohne diese Liebe, die Brünhilde Blum für ihre Familie empfindet, wäre diese Geschichte nicht möglich gewesen.

Die zweitstärkste Emotion in dieser Reihe und in dieser Figur ist die Rache. So bedingungslos wie ihre Liebe, so kompromisslos ist die Rache der Brünhilde Blum. Und Rache ist ein so dankbares Motiv in der Literatur. Es erklärt und rechtfertigt sich quasi selbst, es ermöglicht irrationales Handeln und lässt impulsive Reaktionen zu, weil hier nicht der Kopf, sondern das Herz kämpft. Und das transportiert die Figur Blum. Ihre Entscheidungen sind aus rational denkender nicht immer schlüssig, in ihrer eigenen Logik aber konsequent.

 

Die Hoffnung

Und so ergab es sich, dass ich beim Lesen mit Blum in diesem Band immer wieder aneinander gestoßen bin. Nach den Ereignissen der ersten zwei Bände ist Blum mit ihren beiden Töchtern inzwischen auf der Flucht. Sie strandet schließlich in der Hansestadt Hamburg und begibt sich in die Abhängigkeit eines Mannes, der ihr und ihren Mädchen gefährlicher werden könnte als es die Konsequenzen ihrer bisherigen Taten je vermocht hätten. Dennoch klammert sie sich an diesen Strohhalm, glaubt, dass der Zuhälterkönig Schiele vom Hamburger Kiez ihr das ermöglicht, was sie sucht: Ein normales Leben, einen normalen Alltag mit ihren Töchtern. Dass diese Rechnung nicht aufgehen kann, ist von Anfang an klar.

 

Der Weg

Auf dem Weg zum endgültigen Finale dieser Reihe lässt Autor Bernhard Aichner Blum noch einmal das tun, was sie am besten kann, lieben und beschützen, rächen und morden. Und das macht in diesem Band bis auf wenige Ausnahmen wieder Spaß. Die Ausnahmen sind all jene Momente, in denen Blums Handeln mit meiner Vorstellung von klugen Entscheidungen kollidierte und all die Entwicklungen, die zu vorhersehbar waren. Der Spaß wiederum, der entstand bei mir wieder durch den Schreibstil. Seit »Totenfrau« (hier geht es zur Besprechung) bin ich vernarrt in diese Art des Erzählens, wie sie Bernhard Aichner praktiziert. Seine Sätze sind zwar im Vergleich zum ersten Band nicht mehr ganz so kurz, nicht mehr ganz so wurfgeschossartig, aber immer noch unverkennbar reduziert und fokussiert und knapp und extravagant. Für mich ist diese Satzmelodie ganz unabhängig vom Inhalt ein Fest und ein großes Vergnügen.

 

Die Fiktion

Insgesamt ist »Totenrausch« in seiner Form aber vorallem eines: Fiktion auf höchster Ebene. Das geht beim Schreibstil los, setzt sich bei der Zeichnung der Figuren fort und endet im Plot. Es ist ein hochinszeniertes Drama, bei dem Zufälle sein müssen, bei dem es günstige Umstände gibt und praktische Begebenheiten. Das hält nicht immer der Sichtkontrolle mit der Realität stand, aber das ist auch nicht der Grund, warum diese Geschichte erzählt wird. Sie wird wegen Blum erzählt, und Blum ist eine Fiktion, eine rauschende, eine rächende Vision von Liebe.

 

Bewertung-4-SterneFazit: Ein gelungener Abschluss der Totenfrau-Trilogie, Fiktion auf höchster Ebene und stilistisch eine kleine Klasse. Auch wenn die Story nicht immer der Sichtkontrolle mit der Realität standhält, hat Bernhard Aichner seiner Blum ihre Geschichte maßgeschneidert auf den Leib geschrieben.

Bewertung: 3,9 Punkte = 4 Sterne

Stil: 5/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 4/5
Plot-Entwicklung: 3/5 | Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5
Komplexität: 3/5 | Lesespaß: 4/5 | = 3,89 Punkte

 

 


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© btb Verlag

Bernhard Aichner – Totenrausch

Originalausgabe

Januar 2017 im btb Verlag

Hardcover | 480 Seiten | 19,99 EUR

Genre: Thriller

Schauplatz: Hamburg

Reihe: Totenfrau-Trilogie #3

 

 

Ein Kommentar zu “Bernhard Aichner – Totenrausch

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