Katja Bohnet – Messertanz

Thriller Messertanz Katja Bohnet Knaur Verlag

Dass man es bei diesem Thriller mit einem sprachlich geschickten Werk zu tun bekommen könnte, ahnt man schon, wenn man sich das kurze Interview mit der Autorin durchliest, das der Verlag vor der Veröffentlichung des Buches auf seiner Homepage online stellte.

Die Antworten, die Katja Bohnet auf Fragen wie »Neben der Arbeit als Schriftstellerin – was wären alternative Berufe für Sie? Und warum?«, »Welches Buch sollte jeder einmal gelesen haben?« oder »Was ist ihre Lebensphilosophie?« gibt, lauten: »Privatier. Keine Ahnung, was das ist, aber es klingt gut.«, »Ein lustiges Taschenbuch. Im eigentlichen und übertragenen Sinn.« und »Ein Leben ohne eine Philosophie scheint mir schon anspruchsvoll genug.« und lassen Individualismus erkennen. Das bei einem Thriller zu finden, ist nicht mehr leicht, aber genau das hat »Messertanz«, etwas individuelles.

 

Der Klappentext – Freund oder Feind?

Der Klappentext wird dem Buch dabei kaum gerecht, fast verheimlicht er, dass hier mehr auf den Leser wartet, als die »verstümmelte Leiche«, die dort angepriesen wird. Auch das »eigenwillige Ermittlerteam« und die Spur in die »Vergangenheit der Ermittler« klingen erstmal nach Triggerbegriffen, die eben in so einen Thriller-Klappentext gehören, um ihn zu verkaufen. Was ja prinzipiell auch gut ist, dieses Buch sollte dringend gekauft werden. Aber »Messertanz« ist eindeutig mehr als Stangenware und das kaschiert der Klappentext ein wenig.

Die bereits erwähnte, verstümmelte Leiche, die die Handlung eröffnet, hörte zu Lebzeiten auf den Namen Alla Kusmin. Ein russischer Name, wie dem LKA-Ermittler Viktor Saizew gleich auffällt, der mit seiner Kollegin Rosa Lopez den Leichenfundort untersucht. Er wurde selbst in St. Petersburg geboren und ist Anfang der 1990er Jahre mit seiner Großmutter Mila nach Berlin gekommen. Wie viele andere Spätaussiedler verschlug es sie in den Stadtteil Marzahn. Dort liegt nun auch die ermordete Alla Kusmin in ihrer Wohnung.

 

Familienbande

Die Tochter Tonja reagiert wenig bestürzt über die Nachricht des gewaltsamen Ablebens ihrer Mutter. Und noch in der gleichen Nacht wird sie ein weiteres Mal mit blutiger Gewalt konfrontiert, als ein junger Mann, Foma Lassarev, auf der Straße von einem Unbekannten niedergestochen wird. Es soll nicht der letzte Mordversuch in diesem Thriller bleiben. Und dann ist da noch Lew Petrow, ein gutaussehender Geschäftsmann aus Russland, galant, charmant, raffiniert. Regelmäßig pendelt er von Berlin nach St. Petersburg nach Moskau. Er ist wichtig, er hat zu tun und er macht Geschäfte mit wertvollem Gut. Unbezahlbar ist in seiner Welt nichts.

Die Geschichte, die sich daraus entspinnt, hat erfreulich wenig mit einem oberflächlichen Metzelei-Thriller zu tun, sondern birgt die sehr gewandt erzählte Geschichte mehrerer Leben, die sich kreuzen, die sich schneiden, die sich zerstören und sich Schaden zufügen. Teilweise unwissend, teilweise kalt kalkuliert. Es ist eine Geschichte, die mehr thematisiert als man auf den ersten Blick ahnt, die tiefer geht in das, was man Familie nennt. Sie lotet die verschiedene Extreme dieses großen Wortes aus, die Nuancen und Schattierungen unterschiedlicher Exemplare von Müttern, Vätern, Söhnen und Töchtern, Enkeln, Eltern, Ehepartnern und Geschwistern.

Das alles erzählt Katja Bohnet aber ohne Sentimentalität und baut damit eine sehr eindringliche Szenerie auf, in der die Gegensätze kaum größer sein könnten, wenn es darum geht, was Familien Menschen bedeuten und was sie mit ihnen anrichten können, wie groß Liebe, Sehnsucht und Hass sein und wozu sie Menschen treiben können.

 

Eine starke Erzählstimme

Spannend fand ich dabei nicht nur die Erzählstruktur mit dem Wechsel zwischen verschiedenen Handlungssträngen, sondern auch die Zeichnung der Figuren und der Stimmung, die sie transportieren. Ich habe an den Figuren fast eine Art Silhouette aus Empfindungen wahrgenommen, an den Ermittlern Rosa und Viktor, die eine durch eine schwere Schuld fast gebückt, der andere ein Hüne wie Obelix, der ins Wanken gerät und dessen Fall einem Erdbeben für seine Mitmenschen gleichkommt. Das alles produziert zu großen Stücken die starke Erzählstimme der Autorin, eine mehr als tolle Sprache, sehr klar, sehr präzise, ohne ausgediente Dialoge oder aufbauschende Phrasen.

Und mit einem Hauch Lakonie, der an manchen Stellen den Ernst der Lage zu entschärfen wusste, der mir die Figuren noch näher brachte und sie glaubwürdig in diesen wirklich kranken und sehr perfiden Plan einpasste, von dem der Täter getrieben wurde. An ein, zwei Stellen muckte mein Kopf kurz auf, wollte sich über ein paar Zufälle zu viel beschweren, aber auch dafür hatte das Buch die passende Antwort bereit: »Es gibt keine Zufälle (…) . Nur Schicksal.« (Zitat aus »Messertanz«, S. 272)

 

Bewertung-4-SterneFazit: »Messertanz« hat eine arg gut eigenständige Erzählstimme, eine eigenständige Atmosphäre und eigenständige Figuren. Ein Thriller nach Maß. Und ein wirklich perfider Plot! Ich würde lieber gestern als heute den nächsten Roman von Katja Bohnet lesen wollen. Ganz gleich, worum es geht.

Bewertung: 4,2 Punkte = 4 Sterne

Stil: 4/5 | Idee: 5/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 5/5
Plot-Entwicklung: 4/5 | Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5
Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 4/5 | = 4,2 Punkte

 

 


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© Droemer Knaur Verlag

Katja Bohnet – Messertanz

Originalausgabe

Dezember 2015 im Knaur Verlag

Taschenbuch | 304 Seiten | 9,99 EUR

Genre: Thriller

Schauplatz: Berlin

Reihe: bisher Einzelband

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