Der Drogendealer Bobby Z ist eine Legende. Und wie bei Legenden meist üblich, ist er tot. An einem banalen Herzinfarkt gestorben. Bobby Z! An einem Herzinfarkt! Das kann man nur schwer glauben. Tim Kearney ist keine Legende. Tim Kearney ist mehr der Typ Pechvogel. Ein Kleinganove, der bei einem Einbruch schon mal über einen Rasensprenger stolpert und so der Polizei ihren Job recht leicht macht. Aber Tim Kearney lebt. Und er sieht Bobby Z zum Verwechseln ähnlich.
Der Deal mit der DEA
Die Sache ist nämlich die: DEA-Agent Tad Gruzsa will Bobby Z ausliefern. An ein mexikanisches Drogenkartell. Im Austausch für einen anderen DEA-Agenten. Die wollen Bobby Z aber natürlich lebend. Also schnappt Gruzsa sich Tim Kearney. Der hat gerade richtig Stress im staatlichen Gefängnis St. Quentin, weil er dort Stinkdog, ein Mitglied der Hell’s Angels umgelegt hat. Ein klitzekleines Problem mit seiner Impulskontrolle. Tim Kearney hat also eine Mordanklage am Hals. Und einen Haufen wütender Rocker, die ihren Kumpanen rächen wollen. Da erscheint Tim die Aussicht, in die Haut eines toten Drogendealers zu schlüpfen und nach Mexiko zu gehen, gar nicht so verkehrt. Und sind wir einmal ehrlich, er hat auch keine Wahl. Er macht den Deal mit der Drogenbehörde und wird zu Bobby Z.
Drogenbosse, Rockerbanden, Profikiller
Und dann geht es richtig rund. Denn nicht alles läuft so, wie Tim sich das dachte. Scheinbar will ihm jeder ans Leder, ihm oder Bobby, was keinen Unterschied mehr macht, Tim hat ja das Nimm-2-Paket gebucht. Also muss er seine und Bobbys Dinge regeln, wobei „Dinge“ einen mexikanischen Drogenboss, eine Rockerbande, noch mehr mexikanische Verbrecher, Bobbys früheren Partner, genannt „Der Mönch“, einen Profikiller, die DEA und einen alten Ranger beeinhaltet. Und offenbar auch Kit, den 6-jährigen Sohn Bobby Zs. Ich kann mich in der Regel nicht großartig für Tiere oder Kinder in dieser Art von Romanen (und auch Filmen) erwärmen, hier hat aber Don Winslow die Dramaturgie in der Hand und damit ist auch das wirklich großartig verbaut. Kit und Tim sind, und entschuldigt diesen Ausdruck im Zusammenhang mit einem Don Winslow-Roman, ehrlich zauberhaft.
Dynamik
Die Stärke dieser Geschichte lag für mich in ihrem Tempo und in ihren Figuren, dazu noch der Stil Winslows, das macht die Sache rund. Der Einstieg ist fix und zackig, die Sprache direkt, auf den ersten Seiten wird die Ausgangssituation zügig erklärt, danach passiert dann einfach, was passieren muss. Bei manchen Figuren reicht ein Dialog, um den gesamten Charakter zu zeichnen und man weiß als Leser alles über eine Rolle, was nötig ist. Sicher greift Don Winslow dabei das ein oder andere Klischee auf, damit diese unkomplizierte Gestaltung so greifen kann, aber die Figuren wirken derart dynamisch, dass das für mich letztlich keine Rolle spielte. Weil keine Figur sein Klischee nutzt, um sich darauf auszuruhen, man spart sich nur langwierige Biografien, schnappt sich zum Beispiel einen mexikanischen Kartellboss und lässt ihn die ihm zugedachte Rolle ausfüllen. Denn das macht er dann richtig gut und die Story läuft. Nette Überraschungen gibt es dennoch genügend. Die müssen dann nicht zwingend in der Charakterzeichnung liegen. Können es aber.
Leiche auf Leiche
Was das Tempo betrifft, geht es Schlag auf Schlag, Leiche auf Leiche. Es wird viel gestorben in diesem Buch, bei dieser großen Jagd auf Bobby Z und Tim in Personalunion. Die Verstrickungen, wer warum hinter wem her ist, sind dabei großes Kino. Man könnte kurz innehalten und sich das ganze Schlamassel in Ruhe ansehen, doch selbst bei dem hohen Tempo kommt die teils tragische, teils komische Seite der einzelnen Szenen gut heraus, an anderen Stellen spürt man aber auch immer wieder ernste Töne zwischen den Zeilen, leise, aber vorhanden.
Was Winslow auch sehr großartig inszeniert, ist der Zauber um die Legende Bobby Z und das, was sich dahinter verbirgt. Und es ist auch hier die sehr bekannte, aber irre unterhaltsam erzählte Geschichte von einer Niete, die zum Helden wird, wobei recht schnell klar wird, dass die Niete gar keine Niete ist und das Potential hat, selbst zur Legende zu werden, ja die eigentliche Legende sogar locker in die Tasche zu stecken vermag.
Fazit: Eine sehr coole, temporeiche Interpretation einer Doppelgänger-Geschichte. Die große Jagd auf Bobby Z macht Laune, zerschießt so einige Brustkörbe und hat neben sehr harten auch ein paar zarte Seiten. Schönes, schönes Kino!
Bewertung: 4,6 Punkte = 5 Sterne
Stil: 4/5 | Idee: 5/5 | Umsetzung: 5/5 | Figuren: 5/5
Plot-Entwicklung: 4/5 | Tempo: 5/5 | Tiefe: 4/5
Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 5/5 | = 4,56 Punkte
Don Winslow – Bobby Z
Originalausgabe »The Death and Life of Bobby Z« (1997)
aus dem Amerikanischen übersetzt von Judith Schwaab
April 2011 bei Suhrkamp
Taschenbuch | 283 Seiten | 8,95 EUR
Genre: Thriller / hard-boiled
Reihe: Einzelband
Schauplatz: USA / Kalifornien
Dein Blog scheint zu Übergewicht bei meiner Wunschliste zu führen… 😉
Tihi, der Blog ist eben wie gute Schokolade! Muhahaha! 😀
Bobby Z hat mir damals auch gut gefallen – ist allerdings schon wieder einer Weile her, dass ich es gelesen habe. Aber ist definitiv einer meiner Favoriten von Winslow.
Und Deine Rezi hat mir gleich mal gezeigt, warum das so war. Sehr gelungen!
Danke! Das Buch war wirklich phänomenal unterhaltsam, bin gespannt, wie die weiteren Winslows dagegen anstinken werden. 😉