Jeff Lemire/David Rubín – Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels

»Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels« ist das erste Spin-Off aus dem Black Hammer Universum, welches erdacht und auf Papier gebannt wurde von Jeff Lemire und Dean Ormston und eine sehr großartige, weil kluge und liebevolle Hommage an das Genre des Superheldencomics ist.

Mit »Sherlock Frankenstein« erfährt dieser Serienkosmos nun eine erfreuliche Erweiterung, die Lemire gemeinsam mit dem spanischen Künstler David Rubín umgesetzt hat und in der Lucy, die Tochter eines einst großen und nun verstorbenen Helden, die Hauptrolle spielt.

 

Das Black Hammer Universum

»Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels« ist damit die dritte deutschsprachige Veröffentlichung aus dem Black Hammer Universum. Ihr voran gehen »Black Hammer: Vergessene Helden«, der Auftakt der Reihe, und »Black Hammer: Das Ereignis«, der zweite Band. Wer Ratschläge annehmbar findet, ich würde »Sherlock Frankenstein« genau zwischen diesen beiden Bänden lesen.

Aber auch zum Erstkontakt mit dem Black Hammer Universum eignet er sich, weil die Vorgeschichte schön knackig zusammengefasst wird, ohne allzu viel zu verraten. Lediglich der Zeichenstil von David Rubín ist dabei ein anderer. Und auch die Story hat einen leicht anderen Drive als die Haupthandlung der Black-Hammer-Reihe, erreicht nicht ganz deren Tiefe, macht aber dennoch viel Spaß, bringt coole Ideen und tolle Bilder, die gut in die Geschichte passen.

 

Lucy in the sky

Im Mittelpunkt der Handlung steht Lucy Weber, die Tochter des einst großen Helden Black Hammer. Vor zehn Jahren verschwanden er und seine fünf heroischen, kostümierten Kollegen, als sie ihre Heimatstadt Spiral City gegen ein finsteres Wesen namens Anti-Gott verteidigten. In einer epischen Schlacht um die Stadt retteten sie zwar die Leben der Bewohner, sie selbst aber lösten sich mit dem Anti-Gott auf in einer Explosion aus Licht und Energie und waren seitdem nicht mehr gesehen.

Spiral City hält seine Helden für tot. Doch Lucy, inzwischen erwachsen und Journalistin beim Global Planet, glaubt nicht, dass ihr Vater starb. Sie ist sich sicher, dass er und die anderen noch irgendwo da draußen sind und widmet ihr Leben der Suche nach den Vergessenen Helden.

Die Story beginnt dabei in Rückblenden, wir erleben Lucy und ihre Mom kurz nach der großen Schlacht in tiefer Trauer, ein wenig später Lucy in ihrem Schulalltag, wie sie niemandem erzählen darf, wer und was ihr Vater Joseph Weber wirklich war, dann als junge Frau kurz vor Beginn ihres Studiums. Immer präsent sind dabei Lucys Stolz auf das, was ihr Vater war und der Unglaube, dass er nicht mehr existiert. Als dann Doktor Star, ein alter Freund und Weggefährte ihres Vaters, auftaucht und ein Versprechen einlöst, das er ihrem Vater einst gab, erhält Lucy Zugang zu allen Akten und Aufzeichnungen aus Black Hammers Leben und damit endlich einen Ausgangspunkt, um mit der Suche nach ihrem Vater beginnen zu können.

Denn: »Wenn man nach einem Haufen Superhelden sucht, sie aber nicht finden kann, sollte man bei den Superschurken anfangen. Und wenn man schon bei den Schurken anfängt, warum dann nicht gleich beim gefährlichsten von allen … Sherlock Frankenstein.«

 

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Meet the supervillains

Und dann beginnt eine wirklich ideenreiche und immer wieder an figürlichen Kreationen überraschende Visite verschiedenster Schurken aus dem Lemire’schen Kosmos. Lucy sucht sie alle auf, die Schurken und Bösewichte. Auf der Suche nach Antworten, auf der Suche nach dem kriminellen Genie Sherlock Frankenstein.

Und yeah, ich mochte das, es macht wirklich viel Freude, sich diese illustren Schöpfungen anzuschauen. Da sind so viele schöne, kluge und witzige Referenzen eingearbeitet, die Zeichnungen von Rubín dazu sind gerade in diesen Sequenzen extrem gelungen. Teilweise sehr bunt und poppig, teilweise auch wieder gedeckt und entsättigt, transportiert die Farbgebung eine Menge vom Charakter, variiert der Stil immer wieder zwischen cartoonartig konnotierten und komplexeren Panels. Viele Bilder sind dabei freakig, ohne drüber zu sein und erfreuen einfach den Kopf und das Auge.

Sherlock Frankenstein ist dabei der titelgebende Superschurke. Ein Gentleman, der noch aus dem viktorianischen London stammt. Ein Genie, das nicht stirbt und dessen Geschichte hier auch erzählt wird. Die ist am Ende nicht so wahnsinnig tiefschürfend oder überraschend, nichts, was man nicht so oder so ähnlich schon einmal gelesen oder gesehen hätte. Aber als Hommage an das Genre und im Kontext der gesamten Geschichte braucht es solch eine klassische Hintergrundgeschichte eines Schurken, der so böse eigentlich gar nicht ist und dem eigentlich nur die Liebe abhanden kam. Sherlock Frankenstein steht damit so ein bisschen im Dienst der Geschichte und das ist gut so. Das funktioniert hier gerade zum Finale hin einfach sehr gut.

 

Fazit

Alles in allem also würde ich für »Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels« als Spin-Off vorausschicken, dass die Haupthandlung der Black-Hammer-Reihe und gerade der erste Band  »Black Hammer: Vergessene Helden« in meinen Augen schon noch mal eine andere Ebene bedient, tendenziell etwas tiefgründiger ist.

Aber auch »Sherlock Frankenstein« ist am Ende unverkennbar eine Jeff-Lemire-Geschichte über Familie, Verlust, Liebe und Außenseiter. Gut und sicher verpackt in einer bunten und auch zuweilen augenzwinkernden Optik von David Rubín mit wirklich tollen Ideen, kreativen Reminiszenzen und einer kurzweiligen Storyline rund um den Schurken Sherlock Frankenstein, um Black Hammers Tochter Lucy und ihrer Suche nach Antworten und einem Blick hinter die Fassade vermeintlicher Bösewichte.

Mit den größten Spaß bringt neben den figurlichen Kreationen einfach die Erweiterung des Black Hammer Universums, aus dem es wohl noch so manche Geschichte zu erzählen gibt. Und dem man die Leidenschaft für das Erzählen eben solcher in jeder Idee und in jedem Panel nachspürt.

 

 

Und da ich natürlich Service großschreibe, meine Besprechung zum ersten Band der Hauptreihe »Black Hammer: Vergessene Helden« gibt es hier.

 


© Splitter Verlag

Jeff Lemire/David Rubín – Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels

OT: »Sherlock Frankenstein and the legion of evil« (2017/2018)

Autor: Jeff Lemire

Zeichnungen: David Rubín, Farbassistenz: Kike J. Díaz

Übersetzung: Katrin Aust

Splitter Verlag | Hardcover | 152 Seiten | 19,80 EUR

Reihe: Black Hammer Universum, Spin-Off

 

 

 

 

Die Black-Hammer-Reihe im Überblick (deutschsprachige Veröffentlichungen)

03/2018 – Black Hammer #01
05/2018 – Black Hammer #02
04/2019 – Black Hammer #03
Spin-Off: Sherlock Frankenstein (09/2018)
Spin-Off: Doctor Star (01/2019)

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