Kriminell Gelesenes – Martin Krists Krimikritik

Banner Kriminell Gelesenes Martin Krists Krimikritik

In seiner Kolumne “Kriminell Gelesenes ” stellt der Autor Martin Krist regelmäßig zum Monatsende seine aktuellen Lieblingsbücher vor – oder Bücher, die er lieber nicht gelesen hätte.

Dieses Mal mit dabei: Karin Slaughter, Paul Mendelson und Stephen King.


Buchcover Pretty Girls von Karin Slaughter
© HarperCollins Verlag

Karin Slaughter – Pretty Girls

Ich könnte mich, wie es viele andere Rezensenten gerne tun, erst einmal über den Autorennamen auslassen: Slaughter. Zu deutsch: Schlachter. Haha, passt ja gut zu der Autorin, die in ihren beiden erfolgreichen Serien, die »Grand County«- und die »Will Trent«-Reihe, mit exzessiver Wonne ihre Blutgelüste auslebt.

Aber Karin Slaughter beschreitet neue Wege, wurde jüngst von den Verlagen vollmundig versprochen, zum einen mit dem Cop-Thriller »Cop Town«, den ich mir ein andermal vornehmen werde, und mit »Pretty Girls«.

In gewisser Weise stimmt es: Mit »Pretty Girls« wagt die US-Autorin tatsächlich Neues. Aber das bedeutet leider nicht, dass es besser ist.

Es fängt schon an mit dem Klappentext: »März 1991. Nach einer Party kehrt die 19-jährige Julia nicht nach Hause zurück. Die eher halbherzig geführten Ermittlungen laufen ins Leere. Eine Leiche wird nie gefunden. Weder die Eltern noch die beiden Schwestern der Vermissten werden je mit dem Verlust fertig. Vierundzwanzig Jahre später erschüttert eine brutale Mordserie den amerikanischen Bundesstaat Georgia. Und die frisch verwitwete Claire ist vollkommen verstört, als sie im Nachlass ihres verstorbenen Mannes brutales Filmmaterial findet, in dem Menschen ganz offensichtlich vor der Kamera auf grausame Weise ermordet werden. Eines der Opfer glaubt sie zu erkennen. Doch was hatte ihr verstorbener Mann damit zu tun? Wer war der Mensch wirklich, den sie über zwanzig Jahre zu kennen glaubte?«

Und geht weiter mit dem Roman, denn der enthält keinerlei Überraschungen mehr. Schon nach wenigen Seiten hat man begriffen, es geht um Snuff-Filme und einer mörderischen Verbindung zur vermissten Julia. Der Rest ist business as usual, vorhersehbar, deshalb langweilig, weil obendrein mit blassen Figuren, denen man irgendwann allenfalls alles Böse an den Hals wünscht. Oder endlich das Ende der Geschichte.

Karin Slaughter – Pretty Girls | erschienen bei Harper Collins | 19,90 €

 

Buchcover Die Unschuld stirbt, das Böse lebt
© Rowohlt Polaris

Paul Mendelson – Die Unschuld stirbt, das Böse lebt

Und noch ein Krimi, der vom Verlag vollmundig angepriesen wird: »Ein phantastischer Thriller aus Südafrika mit einer Auflösung, die die Grenzen des Genres sprengt.«

Von so etwas sollte man sich natürlich nicht beeindrucken lassen, aber seit Deon Meyer, Roger Smith, Andrew Brown und Malla Nunn haben es mir die süfafrikanischen Krimis besonders angetan. Und wenn sie dann noch mit einem solch hinreißenden Cover wie »Die Unschuld stirbt, das Böse lebt« daherkommen – dann sind sie gekauft.

In dem Debütroman von Paul Mendelson lässt sich der engagierte Senior Superintendent de Vries bei den Ermittlungen im Fall zweier ermordeter, weißer Halbwüchsiger, die man nackt und in Plastikfolie gewickelt in einem Müllcontainer in Kapstadt gefunden hat, nicht unterkriegen, weder von seinen privaten Problemen noch von den politischen Ränkespielen, die auf allen Ebenen der Hierachie getrieben werden. Es hat sich also nichts geändert seit Abschaffung der Apartheid. Es wird nach wie vor unterdrückt und korrumpiert, nur diesmal sind es eben die anderen, die sich am Drücker wähnen.

Das Problem: Diese Geschichte über entführte, misshandelte, ermordete Kinder könnte überall spielen, nicht nur in Südafrika. Die faszinierenden Eigenarten des Landes bleiben bei Mendelson leider auf der Strecke, weswegen »Die Unschuld stirbt, das Böse lebt« am Ende eben nur ein solider Kriminalfall ist. Und die Grenzen des Genres sprengt er schon lange nicht.

Paul Mendelson – Die Unschuld stirbt, das Böse lebt | erschienen bei Rowohlt/Polaris | 14,99 €

 

Buchcover Basar der bösen Träume von Stephen King
© Heyne Verlag

Stephen King – Basar der bösen Träume

Stephen King ist ein Phänomen: Seit seinem Erstling »Carrie« veröffentlicht er jedes Jahr mindestens einen neuen Roman. Nicht jeder ist ein Meisterwerk, und von denen hat King wahrlich eine Menge verfasst, aber keiner ist wirklich grottig. Damit nicht genug, schreibt und veröffentlicht er regelmäßig Kurzgeschichten.

Viele glauben, eine Short Story schreibt sich wie von selbst. Es sind ja nicht viele Seiten. Weitgefehlt!

Gerade in der Kürze liegt die Würze. Eine Kurzgeschichte ist quasi die Kür für jeden guten Autor. Und ja, King ist ein verdammt guter Autor. Dessen ist er sich sogar bewusst, wie er im Vorwort zu seiner neuen Short Story-Sammlung auf die Frage erklärt, weshalb er immer noch Kurzgeschichten schreibe: »Das hat einen einfachen Grund: Sie zu schreiben macht mich glücklich, weil ich dazu geschaffen bin, andere Menschen zu unterhalten. Gitarre spiele ich nicht besonders gut, und Step tanzen kann ich gar nicht, aber das kann ich. Daher tue ich es.«

Klingt etwas eingebildet, aber man verzeiht es ihm, denn er hat ja recht. Was er im Großen beherrscht, gelingt ihm auch im Kleinen: Figuren erschaffen, liebenswert, amüsant, manchmal auch einfach nur widerlich, aber alle zutiefst menschlich. Das beherrscht King großartig, und das macht seine Geschichten so großartig.

»Basar der bösen Träume« ist keine Ausnahme: Die Sammlung enthält 20 Kurzgeschichten, einige wie »Raststätte Mile 81« oder »Böser kleiner Junge« bereits als E-Book veröffentlicht, andere brandneu. So oder so – lesenwert!

Stephen King – Basar der bösen Träume | erschienen bei Heyne | 22,99 €

 

© Texte verfasst von Martin Krist


Autor Martin Krist schwarz/weiß

Der Autor dieser Kolumne:

Martin Krist, geboren 1971, lebt als Schriftsteller in Berlin. Er arbeitete viele Jahre als leitender Redakteur bei verschiedenen Zeitschriften. Seit 1997 ist er als Schriftsteller tätig. Nach mehr als 30 Sachbüchern, darunter die Biografie über die Hamburger Kiez-Ikone Tattoo-Theo, die Punk-Diva Nina Hagen, den Rap-Rüpel Sido und die Grunge-Ikone Kurt Cobain, schreibt er seit 2005 Krimis und Thriller.

www.martin-krist.de

 

 

9 Kommentare zu “Kriminell Gelesenes – Martin Krists Krimikritik

  • 30. Januar 2016 at 15:21
    Permalink

    OMG! Was eine tolle Idee!! Und ich hätte auf Martin hören sollen, als er mir sagte, dass Pretty Girls nix ist. So musste ich die Erfahrung leidvoll selbst machen! Ich freue mich auf jeden weiteren Beitrag!

    Reply
  • 31. Januar 2016 at 10:58
    Permalink

    Hallöchen Philly,
    ein sehr cooler und interessanter Post! 😀 Ich hatte vor kurzem eine ähnliche Idee, allerdings bin ich nicht darauf gekommen, dass man Autoren Autoren vorstellen lassen könnte. xD Das finde ich ziemlich schick. ^^
    Nun ja, was solls. Aber meine Idee ist noch in den Babyschuhen, ich muss erstmal sehen, wie ich das umsetzen kann. ^^

    Liebst, Lotta

    Reply
  • 31. Januar 2016 at 13:47
    Permalink

    Dankeschön, das freut mich arg! 🙂 Ohne Martin Krists Engagement könnte ich das gar nicht machen, also auch für mich ein sehr cooles und aufregendes und spannendes Projekt! Gerade wenn man mal schauen kann, was denn ein Autor so liest und wie er das einschätzt! 😀

    Aber wenn bei deiner Idee ein Autor keine Kurz-Rezensionen schreibt bzw. gelesene Bücher bespricht, können sich die Projekte doch gar nicht groß ähneln, oder? Ich bin in jedem Fall neugierig, was Du dir da überlegst! Magst Du schon mehr erzählen?

    Reply
  • 2. Februar 2016 at 2:40
    Permalink

    Schöne Rubrik,
    aber hier ist (auch) keins der Bücher was für mich 😛

    "Pretty Girls" hatte ich nach ersten Eindrücken schon wieder gestrichen. Die Autorin ist nichts mehr für mich – leider – hatte sie mal gern gelesen. Aber die neuen Sachen brauch ich wohl nicht holen.
    Stephen King les ich eh nicht 😀
    Und das von Mendelson hat mich vom Klappentext her schon nicht gelockt.
    Dass jetzt hier zwei negative Sachen dabei waren, war aber sicher nur Zufall? 😀 Man will ja keinem was unterstellen XD
    BIn gespannt, ob da auch ma Geheimtipps dabei sind – Schreiberlinge lesen ja Bücher immer etwas "anders".

    Reply
  • 2. Februar 2016 at 10:39
    Permalink

    Jip, mit Karin Slaughter hatte ich ja auch schon vor Jahren abgeschlossen, einzig "Cop Town" habe ich mir im Dezember geholt, weil das Buch nix mit ihren Reihen zu tun hat, in den 1970ern spielt und tatsächlich von allen Slaughter-Skeptikern positiv besprochen wurde, das dürfte also passen. Aber ihre anderen Bücher interessieren mich nicht mehr und wie man an Martins Kritik sieht, zurecht.

    Mendelson habe ich sogar abgebrochen. Wird man morgen im Monatsrückblick sehen.

    Jip, King lese ich ja auch nicht, umso erfreuter war ich, dass es Martin hier dabei hatte, so kann man die Bandbreite ein wenig strecken! 🙂

    Ja, war nur Zufall, dass zwei Bücher nicht so dolle waren. Die Reihe hier soll nicht wie bei Miss Marple explizite Tipps beinhalten, sondern einfach so wie es kommt und das, was Martin liest, wird hier auftauchen! 🙂 Freut mich, wenn es Dir gefällt! 😀

    Reply
  • 2. Februar 2016 at 11:44
    Permalink

    War auch ironisch gemeint, finds ja gut, dass man nicht nur die Guten kommentiert, sondern auch mal aus der Reihe tanzt und seinen schlechten Eindruck widergibt 🙂

    Monatsrückblick, ach stimmt, Januar ist ja schon wieder vorbei.
    Die Zeit rennt …naja, morgen erstmal zwei Tage durchatmen und da wird sicher wieder einiges an Seiten von mir weggelesen und getippselt – mit u.a. einer Nicht-Empfehlung 😉

    Reply
  • 2. Februar 2016 at 20:55
    Permalink

    Hab ich auch so verstanden! 😉

    Ja, das sind halt die unterschiedlichen Ideen hinter den Reihen, bei Miss Marple sollen es ja wirklich Tipps sein, sie könnte natürlich auch die Bücher vorstellen, die ihr nicht gefallen haben, aber darum soll es bei ihr nicht gehen, für die Beitragsreihe sollen es wirklich Empfehlungen einer Buchhändlerin sein. Bei Martin hingegen soll es ein Querschnitt sein, keine Empfehlungen, sondern ein Blick ganz direkt auf seine Gelesenen.

    Reply
  • Pingback: Kriminell Gelesenes im Dezember - WortGestalt-BuchBlog

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert