Kriminell Gelesenes im November

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In seiner Kolumne »Kriminell Gelesenes« stellt der Autor Martin Krist regelmäßig zum Monatsende seine aktuellen Lieblingsbücher vor – oder Bücher, die er lieber nicht gelesen hätte.

Dieses Mal mit dabei: Noah Hawley, Jane Harper, Peter Temple und James Lee Burke.


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© Goldmann Verlag

Noah Hawley – Vor dem Fall

Autor Noah Hawley ist bekannt als Drehbuchautor für »Bones – Die Knochenjäger« und die vielgelobte TV-Adaption von »Fargo«. Dementsprechend hoch die Erwartungen an sein Romandebüt.

Konzeptionell ist »Vor dem Fall« gelungen – mit wenigen Worten werden im Prolog geschickt alle Figuren eingeführt: Der erfolglose Maler Scott Burroughs, der es in allerletzter Sekunde an Bord des Privatjets des Medienmoguls David Bateman schafft. Dessen Frau Maggie, deren Kinder Rachel und JJ, der Bodyguard Gil, das befreundete Ehepaar Sarah und Ben Kipling, die Stewardess Emma Lightner, die beiden Piloten James Melody und Charlie Busch. Sie alle sterben wenige Minuten nach dem Start – bis auf JJ und Scott. Auf den folgenden 400 Seiten steigt Scott vom vormals unbekannten Künstler zum berühmten Helden auf – bis erste Zweifel an seiner Rettung entstehen. Plötzlich gerät er unter Verdacht. Gleichzeitig erfahren wir in wiederholten Rückblenden die Tage und Stunden aller Verstorbenen vor dem Unglück und damit die tatsächliche Absturzursache.

Schwer zu sagen, was »Vor dem Fall« ist: ein Thriller, ein Drama oder eine Medienkritik? Von allem ein bisschen, am allermeisten aber enttäuschend, weil der vermeintlich überraschende Clou schon frühzeitig absehbar und die Figuren obendrein voller platter Klischees sind. Was beweist: Ein guter Drehbuchautor ist noch lange kein guter Romanautor.

Noah Hawley – Vor dem Fall | erschienen bei Goldmann | Euro 22,99

 

 

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© Rowohlt Polaris

Jane Harper – The Dry

Noch ein Debüt mit ebenso starkem Auftakt: Beklemmend die Hitze, unter der die Bewohner des kleinen Kaffs Kiewarra im australischen Nirgendwo seit Wochen leiden. Niemanden überrascht es, dass Farmer Luke Hadler durchdreht und seine Frau, seinen Sohn und schließlich sich selbst erschießt.

Lukes Jugendfreund Aaron Falk, ein ehemaliger Polizist, der zur Beerdigung kommt, glaubt dagegen nicht an einen erweiterten Suizid. Der Grund dafür liegt zwanzig Jahre zurück und sorgte dafür, dass Falk seinen Heimatort ebenso lange mied wie die Pest.

Auch Autorin Harper wechselt die Zeiten: Während sie Falk im Hier und Jetzt auf eigene Faust ermitteln lässt, schildert sie in wiederholten Rückblenden vergangene Ereignisse. Doch so packend ihr die Dürre im Outback gelingt, so durchschaubar gerät die Mordaufklärung bis hin zum übertrieben ausgewälzten Showdown. Da ist noch Luft nach oben.

Jane Harper – The Dry | erschienen bei Rowohlt | Euro 14,99

 

 

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© Penguin Verlag

Peter Temple – Die Schuld vergangener Tage

Auch Peter Temple ist australischer Krimiautor, allerdings längst renommiert, obschon »Die Schuld vergangener Tage« mitnichten eine Novität ist, sondern eines seiner Frühwerke. Das mag die wenig einfallsreiche, inhaltliche Parallele zu Harper erklären: Ein Ex-Polizist mit düsterer Vergangenheit, der nicht an den Selbstmord seines alten Kumpels und Nachbarn glauben möchte und deshalb auf eigene Faust ermittelt.

Obwohl aus dem Jahr 1996, lässt »Die Schuld vergangener Tage« die Komplexität erahnen, mit der Temple seine späteren Thriller entwickeln sollte: viele Figuren, wenige Worte, Geheimnisse, die sich erst nach und nach enthüllen. Das verlangt vom Leser Geduld, die am Ende belohnt wird, auch wenn es sich in diesem Fall um einen Komplott aus Snuff-Filmern handelt, der bis in die hohen Kreise reicht. Soweit, so bekannt. Trotzdem immer noch besser als so manch zeitgenössische Spannungsnovität.

Peter Temple – Die Schuld vergangener Tage | erschienen bei Penguin | Euro 10,00

 

 

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© Pendragon Verlag

James Lee Burke – Blut in den Bayous

Na also: Nach »Neonregen«, Band 1 (siehe September-Ausgabe) geht die Dave-Robicheaux-Reihe endlich in die zweite Runde. Zwar ist der Cop inzwischen aus dem Dienst ausgeschieden und betreibt mit seiner Frau Annie nur noch einen Bootsverleih, doch als vor ihren Augen ein Flugzeug in das Mississippi-Delta stürzt und die Behörden eine falsche Opferzahl veröffentlichen, kann Robicheaux, Alkoholiker, aber moralisch durch und durch, nicht anders: Er muss herausfinden, was vertuscht werden soll, koste es, was es wolle. Auch wenn der Preis diesmal verdammt hoch sein wird.

Opulent gezeichnete Atmosphäre, liebevoll gestaltete Charaktere, schonungslos brutale Realität – bei Südstaaten-Poet Burke weiß der Leser, was ihn erwartet. Was man von seinem deutschen Verlag, der sich bekanntlich an einem neuübersetzten Reboot der Robicheaux-Serie wagt, weniger behaupten kann. Im Februar erscheint Band 13, »Straße der Gewalt«, bevor es erst im Mai mit »Schmierige Geschäfte«, Band 3, weitergeht.

James Lee Burke – Blut in den Bayous | erschienen bei Pendragon | Euro 17,00

 

 

© Texte verfasst von Martin Krist


Autor Martin Krist schwarz/weiß

Der Autor dieser Kolumne:

Martin Krist, geboren 1971, lebt als Schriftsteller in Berlin. Er arbeitete viele Jahre als leitender Redakteur bei verschiedenen Zeitschriften. Seit 1997 ist er als Schriftsteller tätig. Nach mehr als 30 Sachbüchern, darunter die Biografie über die Hamburger Kiez-Ikone Tattoo-Theo, die Punk-Diva Nina Hagen, den Rap-Rüpel Sido und die Grunge-Ikone Kurt Cobain, schreibt er seit 2005 Krimis und Thriller.

www.martin-krist.de

 

 

6 Kommentare zu “Kriminell Gelesenes im November

  • 30. November 2016 at 12:58
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    Dieses Kuddelmuddel beim Verlag (Burke) versteh ich auch nicht ganz. Warum macht man nicht alles brav der Reihe nach? :/
    Noch hab ich nicht mit der Reihe von Burke gestartet, werd mir die ersten beiden Teile aber im Dezember noch holen :3
    Noch bin ich nicht so hardcore Fan, wie Miss Marple, aber ein kleinen Stück Leseherz ist schon an ihm verloren gegangen 😛

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    • 30. November 2016 at 17:25
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      Hm, ja, ich finde es auch nicht optimal. Aber ich denke mal, dass es dafür Gründe geben wird. Immerhin kann man mit Band 1 und 2 jetzt intensiv in die Reihe einsteigen und Mai kommt auch wieder schneller, als man denkt. Auch wenn mir der dritte Band im Februar auch lieber gewesen wäre. 😉 Aber gut, solange überbrücke ich die Zeit mal mit den Holland-Romanen von ihm, die sind ja bei mir noch offen.

      Ansonsten ist das ganze WortGestalt-Team aber tatsächlich Robicheaux-Begeistert, das stimmt. 😀

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      • 1. Dezember 2016 at 19:30
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        Denke mal wird mit dem Rechten zu tun haben (ist das wie bei Filmen?), die werden sie haben und dann entsprechend das Buch herausbringen. Wenn man nicht aufpasst, trotzdem verwirrend 😛 Zumal die Bücher eingeschweißt sind! Hatte ich jetzt in der thalia. War mir nicht mehr sicher, welches der erste Teil ist und konnte es auf dem Klappentext auch nicht herauslesen … jetzt ist es egal, da eh bald beide einziehen werden 😀

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        • 1. Dezember 2016 at 20:49
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          Ja, das meinte ich mit den Gründen, ob nun Rechte, Lizenzen oder einfach verlagsinterne Abläufe, weiß der Geier. Ich denke einfach, wenn es anders ginge, würde der Verlag es machen. Als Außenstehender kennt man ja auch nicht alle Interna.

          Muah, Burke im Doppelpack, seeehr gut!! 😀

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  • 1. Dezember 2016 at 7:05
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    Guten Morgen,
    mit “Die Schuld vergangener Tage” konnte nicht wirklich was anfangen – es war mir viel zu langatmig. Da fehlte mir eindeutig die Geduld 🙂

    LG
    Tina

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    • 1. Dezember 2016 at 15:25
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      Hallo Tina!

      Ich habe bisher noch gar keinen Roman von Paul Temple gelesen, irgendwie haben mich die Klappentexte nie gereizt, insofern kann ich deine Einschätzung gut nachvollziehen. Aber er ist ja schon eine Art Institution, vielleicht bekomme ich ja irgendwann mal einen Rappel und probiere es doch einmal.

      Liebe Grüße!!

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