Kriminell Gelesenes – Martin Krists Krimikritik

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In seiner Kolumne “Kriminell Gelesenes ” stellt der Autor Martin Krist regelmäßig zum Monatsende seine aktuellen Lieblingsbücher vor – oder Bücher, die er lieber nicht gelesen hätte.

Dieses Mal mit dabei: Olen Steinhauer, Donald E. Westlake und Rob McCarthy.


Buchcover Der Anruf von Olen Steinhauer
© Blessing Verlag

Olen Steinhauer – Der Anruf

CIA-Agent Henry Pelham hat ein Date mit seiner verflossenen Liebe. Während des Abendessens mit Celia Favreau, die zugleich seine ehemalige Kollegin ist, wird beiden rasch klar, dass es keineswegs nur um das Aufwärmen ihrer alten Gefühle geht, sondern vor allem um die Flugzeugentführung, bei der Terroristen vor sechs Jahren einhundertzwanzig Menschen töteten.

Aus dieser im Grunde ziemlich einfachen Grundidee entwickelt Olen Steinhauer über knappe 260 Seiten ein Verwirrspiel aus sehr viel Liebe und noch mehr Lüge, dass es eine wahre Freude ist.

Schon mit seiner Milo Weaver-Trilogie, noch mehr aber mit der phänomalen »Kairo-Affäre« hat Steinhauer bewiesen, dass er zurecht als »der neue Le Carré« gilt. Mit »Der Anruf«, ein raffiniertes Kammerstück, festigt er seinen Ruf als Meister des modernen Polit-Thrillers. Zweifellos mein Highlight im April.

Olen Steinhauer – Der Anruf | erschienen bei Blessing | Euro 19,99

 

Buchcover Donald E. Westlake Fünf schräge Vögel
© Atrium Verlag

Donald E. Westlake – Fünf schräge Vögel

New York, 1970: Fünf abgehalfterte Gauner sollen einen Diamanten stehlen. Weil immer wieder etwas schiefgeht, müssen sie fünfmal dafür Anlauf nehmen, und mit jedem Mal wird ihr Bemühen, nun ja, schräger. Einzig ihr Boss, der kultige John Dortmunder, behält den Überblick und sorgt dafür, dass sich am Ende alles, nun ja, fast alles zum Guten wendet.

Man muss es dem Atrium Verlag hoch anrechnen, dass er »Fünf schräge Vögel«, die als »Vier schräge Vögel« bereits 1972 mit Robert Redford verfilmt wurden, in moderner Ausstattung neuauflegt. Auch die Neuübersetzung liest sich lakonisch, unterhaltsam und flott. Und doch kann das alles nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte von Krimi-Urgestein Donald E. Westlake einige Jahre auf dem Buckel hat. Mehr als 46, um genau zu sein. So bleibt allenfalls der Charme einer längst vergangenen Krimi-Ära, der zwischen den Zeilen durchschimmert, der den Dortmunder-Klassiker lesenswert macht.

Donald E. Westlake – Fünf schräge Vögel | erschienen bei Atrium | Euro 19,99

 

Buchcover Todeszeitpunkt von Rob McCarthy
© Rowohlt Verlag

Rob McCarthy – Todeszeitpunkt

Rob McCarthy ist das Pseudonym eines jungen Arztes, der sichergehen möchte, »dass niemand aus meinen Büchern Rückschlüsse auf meine ärztlichen Fähigkeiten zieht. Meine Bücher enthalten einige wenig schmeichelhafte Ansichten über den Arztberuf und die Polizei, und das könnte durchaus Missfallen erregen.«

In der Tat beeindruckt sein Debütroman mit fundiertem medizinischen Wissen und erschreckt durch Interna, die man als Krankenhauspatient lieber nicht wissen möchte. Diese Authentizität stellt zugleich aber auch das Problem von »Todeszeitpunkt« dar: Denn die Spannung bleibt auf der Strecke, weil McCarthy auf den ersten 150 Seiten in aller Ausführlichkeit erklärt, wie im Krankenwagen bzw. auf der Rettungsstation bzw. im Operationssaal um das Leben eines angeschossenen Teenagers gekämpft wird. Da gibt es eine infektbedingte Verschlimmerung einer COPD, einen Verdacht auf atypische Pneumonie, aber keinen Radialispuls. Eine BiPAP-Beatmung, einen pH-Wert von 7,25, und auf der Suche nach der Vena Saphena magna werden methodisch die Faszien zerlegt. Noch Fragen?

Als Polizeiarzt Harry Kent endlich zu ermitteln beginnt, weshalb der Jugendliche überhaupt angeschossen wurde, entpuppt sich die restliche Geschichte wie aus einem Handbuch für Krimiautoren zusammengeschustert: schlicht, funktional und rasch durchschaubar. Rob McCarthy mag ein guter Arzt sein. Ein guter Autor ist er nicht.

Rob McCarthy – Todeszeitpunkt | erschienen bei Rowohlt | Euro 12,99

 

© Texte verfasst von Martin Krist


Autor Martin Krist schwarz/weiß

Der Autor dieser Kolumne:

Martin Krist, geboren 1971, lebt als Schriftsteller in Berlin. Er arbeitete viele Jahre als leitender Redakteur bei verschiedenen Zeitschriften. Seit 1997 ist er als Schriftsteller tätig. Nach mehr als 30 Sachbüchern, darunter die Biografie über die Hamburger Kiez-Ikone Tattoo-Theo, die Punk-Diva Nina Hagen, den Rap-Rüpel Sido und die Grunge-Ikone Kurt Cobain, schreibt er seit 2005 Krimis und Thriller.

www.martin-krist.de

 

 

2 Kommentare zu “Kriminell Gelesenes – Martin Krists Krimikritik

  • 30. April 2016 at 15:50
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    Ok, jetzt bin ich überzeugt, den Steinhauer werde ich mir auch noch vornehmen.

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