Kriminell Gelesenes im Juli 20.17

Banner Kriminell Gelesenes Martin Krists Krimikritik

In seiner Gast-Kolumne »Kriminell Gelesenes« stellt der Berliner Autor Martin Krist hier regelmäßig zum Monatsende seine aktuellen Lieblingsbücher vor – oder Bücher, die er lieber nicht gelesen hätte.

Auch am Ende dieses Monats zieht er Bilanz. Was war im Juli sein Lieblingsbuch – oder welches Buch hätte er lieber nicht gelesen?


© Goldmann

Robert Wilson – Wer Lügen sät

Geneigte Leser meiner Kolumne wissen: Ich mag Charles Boxer. Auch seinen jüngst erschienenen vierten Fall, »Wer Lügen sät«, mochte ich sehr. Dennoch kann ich diesmal nur unter Vorbehalt eine Leseempfehlung aussprechen. Denn diesmal geht es für Boxer nicht nur nach Brasilien, sondern, weil es sehr persönlich wird, ihm auch mächtig an die Nieren. Und das ist das Problem.

Doch der Reihe nach: Etwa zwei Drittel der Geschichte hetzt Boxer, Spezialermittler in Sachen Entführungen, durch São Paulo, auf der Suche nach Sabrina Melo. Die Multimillionärstochter wollte nichts weiter als ein eigenes, unbeschwertes Leben führen, weshalb sie sich fernab ihres herrischen Vaters ein kleines, fast anonymes Appartement in São Paulo gönnte. Fast anonym. Folgerichtig wird sie entführt.

Boxer, vom vermeintlich verzweifelten Vater zur Hilfe gerufen, findet heraus, dass es in dessen Vergangenheit einige Leute gibt, die noch eine Rechnung mit ihm offen haben. Damit nicht genug: Der Millionär hintertreibt jedes ernsthafte Bemühen, seine Tochter lebendig wiederzufinden.

Doch Boxer gerät erst dann – im letzten Drittel des Romans – in Teufels Küche, als er begreift, dass ihn Melos Hilfegesuch nicht ohne Grund ereilte – und ihn geradewegs mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Um die machte Autor Robert Wilson vom ersten Boxer-Roman an, »Stirb für mich«, ein großes Geheimnis. In »Ihr findet mich nie« und »Die Stunde der Entführer« warf er dem Leser einige Info-Brocken hin, die allerdings häufig mehr verwirrten, anstatt aufklärten. Jetzt endlich schafft er Klarheit.

Kurzum: »Wer Lügen sät« kriegt von mir eine klare Empfehlung – allerdings nur für Leser, die die vorangegangenen drei Charles Boxer-Romane kennen. Alle anderen werden sich in dem komplexen, verschwörerischen Geflecht aus Querverbindungen und Rückblenden verlieren.

 

Robert Wilson – Wer Lügen sät | Goldmann Verlag | Euro 15,00

 

 

© Texte verfasst von Martin Krist


Autor Martin Krist schwarz/weiß

Der Autor dieser Kolumne:

Martin Krist, geboren 1971, lebt als Schriftsteller in Berlin. Er arbeitete viele Jahre als leitender Redakteur bei verschiedenen Zeitschriften. Seit 1997 ist er als Schriftsteller tätig. Nach mehr als 30 Sachbüchern, darunter die Biografie über die Hamburger Kiez-Ikone Tattoo-Theo, die Punk-Diva Nina Hagen, den Rap-Rüpel Sido und die Grunge-Ikone Kurt Cobain, schreibt er seit 2005 Krimis und Thriller.

www.martin-krist.de

 

 

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