Elmore Leonard – Out Of Sight

Man traut es sich bei einer Ikone wie Elmore Leonard ja kaum zu sagen, aber irgendwie war »Out Of Sight« für mich nicht so ganz Jacobs Krönung. Ich trinke aber auch keinen Kaffee, insofern hinkt der Vergleich etwas. Und das ist hier auch Jammern auf unverschämt hohem Niveau, denn immerhin reden wir über Elmore Leonard.

Über 40 Romane hat der Mann veröffentlicht, angefangen mit Western wandte er sich Ende der 1960er Jahre dem Krimigenre zu und feierte dort unglaubliche Erfolge, setzte Maßstäbe. Elmore Leonard wurde 1925 in New Orleans geboren, lebte zuletzt in Michigan und verstarb dort im Sommer 2013.

 

Der Weg ist das Ziel

Mangelnde Zeit, schier unendliche Mengen an zu lesenden Büchern und der Umstand, dass ein Großteil seiner Romane in deutscher Übersetzung inzwischen vergriffen ist, ergo ich Elmore Leonards Hochzeit mal wieder verpasst habe, weil ich verflixt noch eins zu spät geboren wurde, haben dazu geführt, dass ich von diesem Autor bis dato nur »Jackie Brown« kannte und da auch »nur« die Verfilmung von – und hier kommt, so viel Zeit muss sein, mein gedanklicher Kniefall – Mister Quentin Jerome Tarantino, wobei man das »nur« beide Male gleich wieder streichen kann, denn mit »nur« ist hier nichts, »Jackie Brown« ist ein fabelhafter Film, sowohl stofflich als auch szenisch.

Und so sehr ich Quentin Tarantino zutraue, aus Stoffen richtig richtig gute Filme zu machen, war mir nach »Jackie Brown« auch klar, dass da eben schon die Romanvorlage von Elmore Leonard richtig richtig richtig gut sein musste, die Dialoge, das Timing, der Humor, der Plot, ja holla die Waldfee!

Entsprechende Erwartungen hatte ich, als ich zu den wenigen noch erhältlichen Romanen von Elmore Leonard griff und mich im Rahmen des Blog-Spezials mit Kaliber.17 für die Lektüre von »Out Of Sight« entschied. Auch dazu gibt es natürlich (zahlreiche Romane Leonards wurden für die Leinwand adaptiert) eine Verfilmung, aber dazu später mehr.

 

Die Feste feiern wie sie fallen

Im Roman begegnet der Leser dem Bankräuber Jack Foley an seinem vorerst letzten Tag im Gefängnis. Seinen Aufenthalt in der Glades Correctional Institution in Florida will Jack Foley mit einem Ausbruch beenden. Praktischerweise musste er dafür bisher auch nicht viel tun, kubanische Mithäftlinge haben unter der Gefängniskapelle einen Tunnel nach draußen gegraben, Jack nutzt die sich ihm bietende Gelegenheit. Auf dem Parkplatz vor der Haftanstalt wartet dann aber nicht nur sein partner in crime und bester Freund Buddy, sondern auch eine Beamtin des United States Marshals Service. Das ist ein wirklich dummer Zufall.

Noch dümmer ist vermutlich dieses crazy little thing called love, denn zwischen der Polizistin und dem Bankräuber funkt es gewaltig. Während einer gemeinsamen Fahrt im Kofferraum eines blauen Chevy Caprice entwickelt sich ein eigentümliches Gespräch, unter anderem über Filmvorlieben – was auch sonst. »Die drei Tage des Condor« hat eine feine Nebenrolle in diesem Roman bekommen, auch Bonnie und Clyde bleiben nicht unerwähnt, da ist der Autor gründlich. Eine Filmaffinität kann man diesem Roman unterstellen, das mochte ich sehr.

 

Drahtseilakt

Aber zurück zum Ausbruch. Nun ist Jack also aus dem Gefängnis raus, hat aber dafür U.S. Marshal Karen Sisco entführt. Der toughen (und nicht zu vergessen wunderschönen) Beamtin gelingt dann zwar die Flucht, aber ach, ihr Herz, das hängt doch irgendwie noch an dem smarten Bankräuber, der inzwischen von sämtlichen Strafverfolgungsbehörden gesucht wird.

Und jetzt beginnt die Gratwanderung. Nicht nur für Jack Foley und Karen Sisco, auch für den Autor. Denn es ist ein Drahtseilakt, die Handlung zwischen Gaunerkomödie, Gangsterdrama und Lovestory auszubalancieren. Und das gelingt im Roman für meinen Geschmack nicht immer.

Diese Sache mit dieser magischen Anziehungskraft zwischen Jackie-Boy und Karen-Darling, sie ist elementar für den Plot, handlungstreibend. Sie muss mich also unbedingt überzeugen, mich am Herzen packen, damit ich ihnen abkaufe, was sie da tun. Tut sie aber nicht, bzw. tue ich nicht. Es gibt eine Szene im Roman, die transportiert sehr sehr gut, wozu dieses Geplänkel zwischen Jack und Karen dient, welche Sehnsüchte die beiden dabei antreiben. Und doch, das reichte nicht aus. Auf den gesamten Roman betrachtet war mir das zu dünn. Es gibt einige spannende Momente zwischen Jack Foley und Karen Sisco, aber die sind rar, und die Szenen, die vorhersehbar sind, überwiegen.

 

Gemeinplätze

Auch das Drumherum konnte mich nicht vollends überzeugen. Zerlegt man mal das gesamte Figurenensemble, bleibt wenig überraschendes übrig. Es gibt die guten Gauner, die mit Werten und Anstand, genau, dann die wirklich bösen Gauner, die wirklich wirklich böse sind, nicht wahr, dann die Cops, die karrieregeil, sexistisch oder beides sind. Und dann eben die beiden Hauptfiguren: Der smarte und charismatische Bankräuber und die Polizistin, eine Versuchung in Blond und Chanel-Kostüm mit Pumps und Pumpgun.

Das gibt bei mir nur ein müdes Kopfnicken, kann man machen, muss dann aber auch irgendwie Biss haben und das hatte es nicht. Gerade Jack Foley fehlte eben jener. Auch wenn Elmore Leonards Erzählen Spaß macht und er den Fokus ganz klar auf die Figurendynamik legt, mit einem leichten, zwischenzeiligen Humor diese Geschichte erzählt, entwickelt sich der Plot zu träge, bleiben die Figuren hinter ihren Möglichkeiten.

 

Und dann der Film

Ganz anders die Verfilmung, die für mich überraschenderweise überzeugender war als die Romanvorlage. Denn hier wird intensiver die Position der Hauptfiguren betont, die Anziehungskraft zwischen Jack Foley und Karen Sisco wird gründlicher herausgearbeitet, das macht die Handlung schlüssiger. Alles, was mir im Roman in der Beziehung zwischen den beiden gefehlt hat, liefert der Film.

Und hier greift auch einfach das Cast. George Clooney als Bankräuber mit Dackelblick und Jennifer Lopez als U.S. Marshal mit Herz und Hirn funktionieren in ihrer Besetzung dahingehend wunderbar, als dass sie die Story, die der Film erzählen will, schon rein assoziativ beim Zuschauer erwirken. Und ich mochte die Darstellung der Karen Sisco durch Jennifer Lopez, das hatte etwas nachvollziehbares, greifbares. Und George Clooney ist eben, na ja, George Clooney. Bei ihm wirkt selbst der Überfall einer Bank wie die Bestellung eines Nespresso. Für die Rolle des galanten Bankräubers sicher nicht die verkehrteste Wahl.

Der Film aus dem Jahre 1998 entstand unter der Regie von Steven Soderbergh. Genau der Steven Soderbergh, der kurze Zeit später mit George Clooney auch die Ocean’s-Reihe drehte. Als ein Mix aus Gauner- und romantischer Komödie zieht »Out Of Sight« diesen Stil konsequent durch, angefangen bei der Musik über den Look bis hin zur Besetzung.

 

Soderbergh und Clooney

Das ist nettes Kino, nicht zu weichgespült, aber im Grunde doch harmlos, wirkt dabei aber stimmig und hat mir in der Umsetzung des Stoffes im direkten Vergleich zum Roman besser gefallen. Sicher reduziert der Film einige Aspekte, aber er bleibt dennoch inhaltlich nah dran an der Vorlage und zeigt eine mögliche Interpretation der Story.

Wenn man sich den Film anschaut, kommt man nicht umhin, in ihm erste Grundsteine für das kurz darauf entstandene Ocean’s-Remake zu sehen. Steven Soderbergh als Regisseur, George Clooney als smarter Gauner und David Holmes als Verantwortlicher für die Filmmusik prägen den Charakter und das Feeling dieser Produktion und auch wenn die Ocean’s-Reihe eine andere Größenordnung bespielt, so ist »Out Of Sight« doch als eine Art – gelungener – Probelauf für die Casino-Trilogie zu betrachten.

 

Fazit: Alles in allem habe ich von dem Roman »Out Of Sight« deutlich mehr erwartet, wurde aber dafür bei der Verfilmung positiv überrascht. Es war hier ein Spiel mit den Erwartungen, beim Roman waren sie zu hoch, beim Film sehr gering, Elmore ist aber ungeachtet dessen ein Autor, den man auf der Liste haben sollte und die Verfilmung des Romans entspannte und gut gemachte Krimi-Unterhaltung.

Bewertung: 3.0 Punkte = 3 Sterne

Stil: 4/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 3/5 | Figuren: 2/5
Plot-Entwicklung: 2/5 | Tempo: 3/5 | Tiefe: 3/5
Komplexität: 3/5 | Lesespaß: 3/5 | = 3.0/5.0

 


© Suhrkamp Verlag
Elmore Leonard – Out Of Sight

Originalausgabe »Out Of Sight« (1996)

dt. Erstausgabe 1998 unter dem Titel »Zuckerschnute« bei Goldmann

übersetzt aus dem Amerikanischen von Jörn Ingwersen

Januar 2012 bei Suhrkamp

Taschenbuch | 253 Seiten | 8,99 EUR

Genre: Gaunerkomödie, Kriminalroman

Reihe: Jack Foley #1

Schauplatz: Florida + Detroit/Michigan

 

 

Die Besprechung erscheint im Rahmen des Blog-Spezials »VERFILMT« mit den Kollegen von Kaliber.17.

5 Kommentare zu “Elmore Leonard – Out Of Sight

  • 20. Juni 2017 at 14:10
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    Ich habe den Roman nicht gelesen, aber irgendwie kann ich es trotzdem gut nachvollziehen, was du schreibst. Der Film ist (vor allem dank der Hauptdarsteller) richtig smart und das kann man dann doch manchmal besser auf der Leinwand transportieren als in den Buchseiten.

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    • 21. Juni 2017 at 14:49
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      Ja, da hast du Recht, und vielleicht ist auch nicht jeder Autor zwingend in Höchstform, wenn es um das Vermitteln von Emotionen dieser Art geht. Und nicht jeder Leser empfänglich. Was ja völlig legitim ist, so beiderseits. Aber auf der Leinwand hat man die Mimik, die ist immer noch eine Klasse für sich, auf die Autoren ja gänzlich verzichten müssen. 😀

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  • Pingback: Das Blog-Spezial »VERFILMT« mit Kaliber.17

  • 21. Juni 2017 at 23:57
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    Ich kenn mal wieder beides nicht… ich seh schon, ich muss einiges nachholen. 😀

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    • 23. Juni 2017 at 8:59
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      Stand auch ewige Zeiten auf meiner Liste, beziehungsweise ungelesen im Regal. 😀

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