Ellen Dunne – Harte Landung

Mit »Harte Landung« ist Anfang August der neueste Roman der Autorin Ellen Dunne erschienen. Nach »Wie du mir« und »Für immer mein«, beide im Eire-Verlag veröffentlicht, startet jetzt beim Insel-Verlag die Reihe um die deutsch-irische Kriminalkommissarin Patsy Logan.

Ermittlungstechnisch ein klassischer Kriminalroman, entwickelt »Harte Landung« durch das stilsichere Erzählen der Autorin und die ausgeprägte Charakterzeichnung der Protagonistin Patsy Logan schnell ein eigenes Naturell. Dazu kommt noch die Paarung vom Hauptschauplatz München mit der irischen Hauptstadt Dublin als Kulisse. Das verleiht dem Krimi eine zusätzliche Stimmung, eine spannende Dynamik.

 

Die Frau der Stunde

Obwohl ich in der Regel nicht allzu viel Wert darauf lege, dass Romanfiguren ein hohes Identifikationspotential oder einen ausgeprägten Sympathiefaktor mitbringen, so war es hier dann doch das Vorhandensein eben dieser Dinge, das mich den Roman so gerne lesen ließ. Mich hat die Figur der Patsy Logan absolut angesprochen. Sie ist klug und freiheraus, mit einer nüchternen Schlagfertigkeit und einer sarkastischen Seele. Ich mochte ihren Witz und ihren Verstand, ihre Stärken und Schwächen. Und die Art, wie die Autorin sie in Szene setzt, hat mich für diese Ermittlerin eingenommen. Und ich habe mich da auch gerne einnehmen lassen, weil »Harte Landung« ein Krimi ist, der das kann, der das gut kann.

Was dieser Krimi auch kann, oder vielmehr seine Autorin Ellen Dunne, ist souveränes Erzählen. Das trifft sowohl auf die Schlüssigkeit des Kriminalfalles zu als auch auf die gesamte Szenerie. Die spielt im Umfeld des aufstrebenden Online-Unternehmens »Skiller«, eine Tauschbörse im Internet, die die Idee von Airbnb und Uber auf die nächste Stufe hebt. Statt Unterkünften und Mitfahrgelegenheiten bietet »Skiller« seinen Nutzern eine Plattform, um aktiv die eigenen Fähigkeiten jeglicher Art (Außer Schmuddeleien, versteht sich!) gegen andere Gefälligkeiten einzutauschen. Denn jeder Mensch kann etwas, wobei ein anderer Hilfe braucht. Der Ölwechsel gegen eine Lektion Spanischunterricht, einmal Rasenmähen im Austausch für Hilfe bei der Steuererklärung. Das Start-Up boomt, expandiert und eröffnet kurz vor seinem Börsengang ein neues Büro in München.

 

Smile or Die

Hier kommt Carolin Höller ins Spiel. Jung, erfolgreich, ehrgeizig, Ehemann, 2 Kinder, Stress, alles schick. Bis vor Kurzem noch im Firmensitz in Dublin tätig, soll sie nun als Leiterin den neuen Standort in Deutschland managen. Und scheidet noch am Abend der Eröffnungfeier dahin. Ein Fenstersturz beendet ihr Leben frühzeitig. Ob das aber nun der erlösende Sprung in den Freitod war, ein dummer Unfall im Koksrausch oder der böswillige Schubser eines Stalkers oder Konkurrenten, bleibt zu klären.

Auftritt Patsy Logan. Kriminalkommissarin vom Dezernat für Tötungsdelikte bei der Kripo München. Der Papa Ire, die Mutter Deutsche, der Papa vor 23 Jahren aus dem Leben getreten, von einer Klippe in Irland. Seitdem war Patsy nie wieder in Dublin, übt sich in Verdrängung und ist mit einem Psychologen verheiratet.

Bei »Skiller« hat man es auch mit Verdrängung. Man will die Ermittlungen der Polizei möglichst dezent abwickeln, der Börsengang könne durch eine aus dem Fenster gesprungene Managerin ja irgendwie gefährdet werden. Interessant und authentisch hier übrigens die Einblicke in das Arbeitsklima und die Unternehmenskultur der Onlinebranche.

Patsy verhört die Menschen aus Carolin Höllers Leben wie eine Weltmeistern. Erst in München, im weiteren Verlauf kommt sie dann auch um einen Aufenthalt in Dublin nicht herum. Gerade dieser hat einen ganz besonderen Charme. Denn obwohl die Autorin weit davon entfernt ist, ihrer Geschichte kitschigen Lokalkolorit aufzudrängen, spürt man bei den Szenen in Dublin sofort die Luftveränderung, die Verkleinerung von Fläche und Bevölkerungszahl im Vergleich zum fast dreimal so großen und dreimal so stark bevölkerten München. Ohne, dass es erwähnt werden muss. Es ist lesbar, fühlbar.

 

Eine Ermittlung braucht Ermittler

Die Themen, die der Roman behandelt, treten zwar augenscheinlich hinter dem Kriminalfall um den Online-Riesen Skiller zurück, sind aber in den Figuren und in den Konflikten stets präsent. Da geht es um Rollenklischees, die werden umgedreht, in Frage gestellt, leise kritisiert, im beruflichen wie im familiären Konstrukt. Da geht es um Erwartungen und Anforderungen, die an uns gestellt werden, auch hier im beruflichen wie im privaten Umfeld. Um den Druck, der dabei entsteht, wie er sich auf Beziehungen auswirkt, auch hier beruflich wie privat.

Da scheint es wie eine logische Konsequenz, dass »Harte Landung« die Ermittlungen in dem Kriminalfall und das Privatleben von Patsy Logan relativ gleichwertig behandelt, dass sich die Autorin beidem ausführlich widmet. Was mich bei anderen Romanen vielleicht stören würde, wirkte hier durch seine Hintergrundthemen stimmig und richtig. Ein wenig überpräsent war für mein Empfinden zwar an einzelnen Stellen das Thema Kinder und Nachwuchs, sei es in Form von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder als Streitthema in Beziehungen. Aber das ist eine sehr persönliche Wahrnehmung und immer auch durch private Einflüsse bedingt.

Aufgefallen ist mir abschließend noch, dass ein Großteil der Schlüsselfiguren weiblich besetzt ist. Der Roman ist auf eine unprätentiöse Art ein emanzipierter Kriminalroman. Das ist eine völlig unaufdringliche, angenehme Note, nur leicht, subtil, aber spürbar, nichts verbissenen und zwanghaft Umgesetztes, sondern eher so ein leichtes Augenzwinkern, so ein »Seht mal, so geht es auch.«

 

Fazit: Was »Harte Landung« für mich ausmacht, das sind das stilsichere Schreiben der Autorin, die starke Charakterpräsenz der Ermittlerin Patsy Logan und die Atmosphäre der Dubliner Szenen. Das alles zusammen ergibt mit den Ermittlungen in der Onlineunternehmenswelt einen Serienauftakt, der viel Eigenes zu bieten hat. Und das mochte ich  sehr.


In Zahlen: Stil: 4/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 5/5 | Figuren: 4/5 | Plot-Entwicklung: 4/5 | Tempo: 4/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 4/5

 


© Insel Verlag
Ellen Dunne – Harte Landung

Originalausgabe

August 2017 bei Insel Taschenbuch

Taschenbuch | 441 Seiten | 10,95 EUR

Genre: Kriminalroman

Reihe: Patsy Logan #1

Schauplatz: München + Dublin

 

 

 

Weitere Besprechungen zu »Harte Landung« u.a. bei:

Die dunklen Felle: »Schlagfertig, taff und mit besonderem Humor ausgestattet, schafft es die Ermittlerin mit irischen Wurzeln voll zu überzeugen. Ich hoffe, wir werden mehr von ihr sehen!«

Fluchtpunkt Lesen: »Im diplomatischen Dienst hätte sie sicher keine Karriere gemacht, denn sie ist stur, direkt und manchmal gnadenlos ehrlich …«

Bücherwurmloch: »Dank Harte Landung wusste ich wieder, warum ich Krimis einst so sehr mochte.«

 

Weitere Besprechungen zu Romanen von Ellen Dunne auf diesem Blog:

Ellen Dunne – Wie du mir

 

5 Kommentare zu “Ellen Dunne – Harte Landung

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