Candice Fox – Hades

Thriller Hades Candice Fox Suhrkamp Verlag


Dafür stehe ich mit meinem Namen

Eigentlich ist »Hades« ein erstaunlich gewöhnlicher Thriller. Ich fand ihn nicht wirklich schlecht, aber auch nicht besonders hitverdächtig. So erstaunt klingen meine Worte deshalb, weil das Buch mit unglaublichen Vorschusslorbeeren bei mir aufgelaufen ist. Und die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte.

Normalerweise ist das Mist und ich versuche zu vermeiden, einem Buch vorab die Messlatte unnötig hochzupacken, nur weil sich Kritikerelite und Preiskomitees einig sind, das nächste große Ding am Wickel zu haben. Und bei diesem Buch sind sie sich so was von einig. Da passt zwischen dem Ned Kelly Award für das beste Debüt 2014 und der Marke Thomas Wörtche, der als Herausgeber quasi eine »Dafür stehe ich mit meinem Namen«-Rolle für den Titel spielt, kaum noch ein Blatt. Es herrscht Einigkeit und Überschwang, das färbt natürlich ab. Da steigt auch mal die Erwartungshaltung, auch wenn ich das nicht will. Bin ja auch nur ein Mensch. Bei einem Überraschungsei ist man schließlich auch außer Rand und Band, wenn einem versprochen wird, man bekäme Spannung, Spiel und Schokolade.

 

Entsorgungsprobleme

Und die Idee zu diesem Thriller ist, wenn auch nicht neu, so doch sehr dankbar und voller Möglichkeiten für einen ausgetüftelten Plot. Der entpuppt sich aber recht schnell als altbekannt. Zu oft wurde eine Handlung schon nach genau diesem Muster erzählt, zu wenig schaffen es Setting und Figuren, sich zu profilieren. Zumindest mich konnte hier nichts überraschen. Dabei fängt die Geschichte sehr vielversprechend an.

Es beginnt alles auf einer Müllkippe vor den Toren Sydneys. Eine wirklich riesige Deponie, Berge aus Schrott und Abfall, meterhoch. Immer neue Ladungen liefern die vielen Kipplaster an und über all dem wacht Heinrich Archer, genannt Hades. In der griechischen Mythologie der Herr der Unterwelt und im Roman, ja, für diese Metapher gibt es nun wirklich keinen Blumentopf, der Herr über Sydneys Unterwelt. Der Mann, zu dem man geht, wenn man ein Entsorgungsproblem hat. Also als Verbrecher. Sagen wir, als Mörder. Wenn man als Mörder ein Entsorgungsproblem hat, was nur marginal oft der Fall sein dürfte, dann geht man damit zu Hades. Er kümmert sich um alles, lässt die Leiche verschwinden. Dieser große, vierschrötige Kerl, ruhig, wortkarg, finster. Kein Mann, mit dem man es sich verscherzen möchte.

Als eines Nachts ein Kleinganove vor Hades Tür steht und zwei halbtote Kinder anschleppt, die »entsorgt« werden müssen, hat der Typ es schon verbockt, bevor er überhaupt bei Hades eingetroffen ist. Man bringt keine Kinder zu Hades. Na sag mal! Das macht man einfach nicht. Wo ist denn da die Berufsehre? Kennt man aus Mafiafilmen und jedem anderen Thriller, bei Kindern hört der Spaß auf. Und so wird Hades schnell zum Sympathieträger im Roman, denn er rettet die beiden Kinder, nennt sie Eden und Eric, nimmt sie bei sich auf, zieht sie groß. Das mag man als Leser, so einen groben, finsteren Kerl, der innen drin einen runzelig weichen Kern hat und diese Kinder liebt wie seine eigenen und sie hegt und pflegt und sich kümmert.

 

Optionen

Dies alles wird in Rückblenden erzählt, in der Haupthandlung gut 20 Jahre später sind diese beiden Kinder zu, na sagen wir mal »interessanten« Persönlichkeiten herangewachsen und im Dienste der Sydney Metro Police bei der Mordkommission tätig. Bis dahin machte mir das Buch eigentlich noch Spaß. Was mag da wohl kommen, dachte ich mir. So eine schöne Ausgangssituation, es geht um Rache, Vergeltung, Gerechtigkeitsdefinitionen, alles nicht unbekannt, aber voller Optionen! Dabei blieb es dann aber auch. Bei den Optionen. Groß genutzt wurden keine.

Es folgte ein nach meinen Leseerfahrungen ganz normaler Thriller. Wir haben Eden und Eric als Detectives der Mordkommission, beide natürlich clever und charismatisch. Dazu gibt es einen neuen Cop in der Abteilung, Frank Bennett, der Edens Partner wird. Geschieden, Typ einsamer Wolf, ein Klischee auf zwei Beinen. Dann haben wir Leichenfunde, einen Serienkiller, der das alte Prinzip von Selektion, Auslese und Gott-Komplex bedient. Und das Thema Organhandel wird auch noch mit hinein gepresst, einige Kapitel aus der Sicht dieses Killers mit eingebaut, dazu der Mythos um Eric und Eden und ihre Kindheit, einen Showdown und fertig. Das liest sich insgesamt sehr leicht und sehr flott, man muss nicht viel denken und ist rasch durch mit der Story.

 

Das Ding mit James Patterson

Gefehlt haben mir Alleinstellungsmerkmale, gerade mal die fast schon majestätisch anmutende Müllhalde, das Reich von Hades als Bild für das Grundthema des Thrillers ist etwas, das mir im Kopf bleiben wird. Überhaupt war Hades mein Favorit im sonst eher schwachen Figurenpark, der alte, grummelige Mann, der ein Herz für Kinder, Handwerkskunst und vermutlich auch Tiere hat. So eine Figur ist zwar auch nichts neues, schon Heidis Großvater war so ein Typ, aber es ist eine schöne Rolle, mit der man mich zumeist leicht kriegt.

Schwachstellen waren für mich dann die restlichen Figurenzeichnungen und der Stil, da blieb bei ersteren die Überzeugungskraft und bei letzterem der Schliff auf der Strecke, die Handlung verläuft planmäßig nach Schema F, das Buch hätte genauso gut von Mister Schreibmaschine persönlich, James Patterson geschrieben worden sein können. (Witziger Fakt: Nachdem ich diesen Gedanken beim Lesen notiert hatte, habe ich später bei der Recherche in einem Interview im CrimeMag nachlesen können, dass die Autorin tatsächlich eine Schreibwerkstatt von James Patterson besucht hat. Ich lasse das an dieser Stelle unkommentiert.)

So negativ das jetzt auch alles klingt, die Motivation hinter dieser Kritik entspringt in erster Linie meiner zu hohen Erwartungshaltung. Der Roman »Hades« hat in meinen Augen wenig, was ihn von anderen Veröffentlichungen abhebt. Zumindest, wenn man regelmäßig in diesem Genre liest.

Noch kurz zur Einordnung, »Hades« ist das Debüt der australischen Autorin Candice Fox und gleichzeitig Auftakt einer Trilogie, die im englischsprachigen Original bereits komplett vorliegt. In deutscher Übersetzung wird bereits im September 2016 von Suhrkamp der zweite Band »Eden« veröffentlicht, mit dem dritten Teil ist dann vermutlich im nächsten Programm zu rechnen.

 

Fazit: »Hades« ist für mich ein durch und durch gewöhnlicher Thriller mit einer sehr reizvollen Grundidee, aber einer schwachen Umsetzung. Was nach dem Lesen bleibt, ist das leicht fade Gefühl, mehr Individualität erwartet und nicht gefunden zu haben.

Bewertung: 2,9 Punkte = 3 Sterne

Stil: 3/5 | Idee: 4/5 | Umsetzung: 2/5 | Figuren: 2/5
Plot-Entwicklung: 3/5 | Tempo: 4/5 | Tiefe: 3/5
Komplexität: 2/5 | Lesespaß: 3/5 | ∅ 2,89 Punkte

 

 


Buchcover Hades von Candice Fox
© Suhrkamp Verlag
Candice Fox – Hades

Originalausgabe »Hades« (2014)

aus dem Englischen übersetzt von Anke Caroline Burger

Mai 2016 im Suhrkamp Verlag

Klappenbroschur | 341 Seiten | 14,99 EUR

Genre: Thriller

Reihe: Eden-Trilogie #1

Schauplatz: Sydney

 

 

 

Weitere Besprechungen zum Buch gibt es unter anderem bei:

Zeilenkino – »„Hades“ ist ein erstaunliches Buch …«

Papiergeflüster – »Ein empfehlenswerter Weglese-Thriller ohne großen Anspruch, aber mit hohem Unterhaltungswert.«

Buch-Haltung – »… schnelle, gut geschriebene und dabei vor allem auch spannende Unterhaltung.«

Crimenoir – »Ich finde das in diesem konkreten Fall nicht gelungen, es wirkt billig.«

 

16 Kommentare zu “Candice Fox – Hades

  • 7. Juni 2016 at 16:07
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    Das Klischee auf zwei Beinen werde ich mir wohl sparen. 😀

    Als ich Cover und Titel gesehen habe, dachte ich schon, jetzt gibt's endlich mal wieder einen Thriller, der mich aus den Socken (ok, momentan sind es Sandalen) hebt. Aber nein, dann verzichte ich dankend. Bei der Ausgangslage der zwei Söhne des Hades, hätte ich eher an eine Enwicklung à la "Departed" (kennst du den Film?) gedacht. Wäre zwar auch nicht neu, aber im Sydney-Setting durchaus interessant gewesen.

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  • 7. Juni 2016 at 16:17
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    Oh, ich hätte vielleicht deutlicher machen könne, dass es sich um Bruder und Schwester handelt, Eden ist eine sie. 😀

    "Departed", den verwechsel ich immer mit "Blood Diamond", aber ich meine, dass ich den auch ganz ordentlich fand.

    Ja, also mich hat es ehrlich nicht vom Hocker gehauen, auch wenn es sicherlich keine verschwendete Lesezeit ist und ja der Großteil der Leserschaft von Spannung und Atmosphäre schwärmt.

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  • 7. Juni 2016 at 18:50
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    Ich hatte automatisch zwei "böse" Buben vor Augen! 😀

    Deine Rezension lädt auf jeden Fall zum Lesen ein. Aber ich bin vom Typischen schon so fadisiert, dass ich es nicht wagen werde.

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  • 10. Juni 2016 at 19:29
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    Is man mal ein paar Tage nicht aktiv in seinem Blogroll unterwegs, haust du hier die Beiträge raus XD

    Also ich hatte ja schon deinen Vermerkt mit "James Patterson" gelesen und mit dem komm ich so gar nicht klar.
    Von da an, war das Buch eh durch bei mir und nach deiner Kritik, schließt sich auch der Kreis. Schade um das Buch, da ich es vom Cover und Klappetext eigentlich recht interessant fand 🙁

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  • 10. Juni 2016 at 19:30
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    Uaaaah, "Departed" *schauder*
    Bitte fein das Original schauen 😉
    Sofern ihr es nicht schon gemacht habt 😀
    *weghusch*

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  • 11. Juni 2016 at 12:15
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    Du hattest ja vorab auch schon von eher durchwachsenen Meinungen gesprochen, die du gelesen hast und ich kann da jetzt auch keinen Enthusiasmus aufbringen, es war halt Schema F. Wobei die Idee schon klasse ist, aber das allein reicht manchmal nicht. Den Ned Kelly Award haben aber auch schon McKinty und Disher gewonnen, also wer weiß, was ich bei "Hades" übersehen habe. 😀

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  • 14. Juni 2016 at 1:07
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    Naja, auf so Auszeichnungen kann man sich ja auch nicht immer verlassen. Aber villeicht haben ja alle die Brillianz übersehen, die die Jury gesehen hat 😀

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  • 14. Juni 2016 at 11:25
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    Das Original von Departed ist "Infernal Affairs".
    Ach klar China, verdammt, hatte die ganze Zeit Korea im Kopf.
    *im Kreis renn*
    Keine Ahnung wieso 🙁
    Zu viel in meinem Kopf momentan *meh*

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