Ellen Dunne – Wie du mir

Roman Wie du mir Ellen Dunne Eire Verlag

Herbst in Belfast, Anfang der 1990er Jahre. Nordirland. Die Fronten sind verhärtet, seit 1968 beherrscht der Konflikt um die Zugehörigkeit Nordirlands den Alltag in dieser Region. Terror, Bombenexplosionen, Granaten, Attentate, Exekutionen.

Die IRA (pro-irisch) auf der einen Seite, die Loyalisten (pro-britisch) auf der anderen. Und wenn zwei sich streiten, freut sich hier nicht der Dritte. Der Dritte, das ist die Zivilbevölkerung, die sich vor der Gewalt kaum schützen kann, immer wieder zur Zielscheibe wird. Kollateralschäden? Menschenleben.

Der Nordirland-Konflikt dauert in seiner Gesamtheit schon viele Jahrzehnte, wenn nicht in seinen Wurzeln gar Jahrhunderte, an. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände, die in den Jahren zwischen 1968 und 1998 herrschten, hatten mehrere gewaltsame Höhepunkte. Ellen Dunnes Roman »Wie du mir« spielt zu einer Zeit, in der sich erneut die Gewalt überschlug. Im Herbst 1993 ist Sicherheit ein Fremdwort in Nordirland. Das Misstrauen nicht nur zwischen den verfeindeten Parteien sondern auch in den jeweils eigenen Reihen beeinflusst stärker denn je die Kampfhandlungen. Dazwischen der Detective Will McCrea und das IRA-Mitglied Dally Ferguson.

Die nordirische Polizei steht auf der Liste der Terroristen ganz oben, Freiwild, legitimierte Ziele. Und auch Will McCrea sollte längst tot sein. Vor einigen Monaten galt ihm ein Mordanschlag, bei dem allerdings seine Ehefrau umkam, Will lebt. Der Täter Dally Ferguson auch. Keiner der beiden hat sich von dieser Begegnung wieder erholt, sie sind zu trostlosen Schatten geworden, die auf eindringliche Weise die Absurdität terroristischer Aktionen bezeugen.

Zerstöre Leben, Menschen, die einen Kampf kämpfen, der nicht ihrer ist, aber dessen Konsequenzen sie zu tragen haben. So wird Detective Will McCrea nun zur Anti-Terror-Einheit der nordirischen Polizei versetzt, neue Möglichkeiten, neue Befugnisse, keine Rechenschaft, freie Handhabe. Und die Hoffnung, den Mörder seiner Frau zu finden. Der hat indessen die Nase voll von der IRA, war seit jeher mehr Marionette als überzeugter Kämpfer und will die Einheit verlassen, neu anfangen. Doch das geht nicht so leicht, so eine Mitgliedschaft kann man nicht einfach kündigen, ohne als Verräter dazustehen und Leben zu riskieren. Aus Freund wird Feind, aus Verbündeten werden Gegner und vertrauen kannst Du niemandem.

Trotz seines sehr deutlichen politischen Bezugs habe ich »Wie du mir« nicht als politischen Roman wahrgenommen, und das will er, denke ich, auch nicht sein. Es ist die Geschichte zweier Männer, beeinflusst durch und erzählt vor der Kulisse des Nordirland-Konfliktes. Ein Roman über Vergeltung, über zweite Chancen. Übers Umkehren. Und ein sehr stilsicher Roman, ebenso kompetent, ich hatte beim Lesen durchweg das beruhigende Gefühl, dass die Autorin sehr intensiv mit dem Thema betraut ist, dass die Rahmenbedingungen sehr nah dran an der Wirklichkeit waren und man ein sehr realistisches Bild der damaligen Situation geschildert bekam.

Man stellt sich viele Fragen beim Lesen, über die Motive der Figuren, über die Tragweite mancher Entscheidungen, über Sinn und Unsinn einzelner Taten. Vieles ist unbegreiflich. Dem Roman gelingt es dabei, wie ein Satellit um das Kernthema zu kreisen und dabei viele verschiedene Winkel auszuspähen, ohne gezielt schwarz und weiß, gut und böse, richtig oder falsch herauszustellen. Es geht nicht um eine Bewertung der einzelnen Positionen in diesem Konflikt, es geht vielmehr um die Menschen selbst, um den Strudel, in dem sie sich befinden, um ihre Regungen, ihre Reaktionen auf Ereignisse, die nicht kontrollierbar sind. Das alles erzählt »Wie du mir« sehr eindringlich, sehr tragend und sehr aktuell. Denn ganz gleich, welche Terroristen für welches Ziel töten, sie töten Menschen, zerstören Leben, rauben Sicherheit. Das ist beklemmend und das fängt dieser Roman sehr nachhaltig ein.

Fazit: Ein sehr eindringlicher Roman, der vor dem Hintergrund des Nordirland-Konfliktes auf die Leben zweier Männer schaut, die herausfinden müssen, für wen und für was es sich zu kämpfen lohnt.


In Zahlen: Stil: 4/5 | Idee: 3/5 | Umsetzung: 4/5 | Figuren: 3/5 | Plot-Entwicklung: 3/5 | Tempo: 3/5 | Tiefe: 4/5 | Komplexität: 4/5 | Lesespaß: 3/5

 


© Eire Verlag
Ellen Dunne – Wie du mir

überarbeitete Neuausgabe

März 2015 im Eire Verlag

Taschenbuch | 460 Seiten | 14,90 EUR

Genre: Roman

Reihe: Einzelband

Schauplatz: Belfast (Anfang der 1990er Jahre)

 

 

 

Weitere Besprechungen zu Romanen von Ellen Dunne auf diesem Blog:

Ellen Dunne – Harte Landung (Patsy Logan #1)

 

 

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